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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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und die Zahlenlottostellen der Boston Road übernommen; unter Latinos, armen Iren, Schwarzen und uralten Juden gediehen sie prächtig. Isaac hatte sich nicht mit ihren Spielen um Pfennigbeträge befasst. Doch allmählich begann die Sippe, Manhattan heimzusuchen. Die Guzmanns kidnappten seit neuestem junge Mädchen am Busbahnhof und verhökerten sie an die umliegenden Bordelle. Isaac hatte vorgehabt, die Sippe aus seinem Revier zu vertreiben. Die Lollipops kosteten ihn viel Zeit. Er konnte sich nicht mehr mit dreckigen Zuhältern befassen.
    Der Chauffeur brachte ihn nach Bronxville. Die Grabstelle der Guzmanns bestand aus einem Hügel gefrorenen Grases. Drei alte Männer standen zitternd über einer frischen Narbe im Erdboden. Es handelte sich um professionelle Totenkläger. Die Guzmanns hatten sie engagiert, um gegen Esther zu klagen. Sie waren in die Kaftans der Ober-Rabbis gehüllt, trugen jedoch alle ein Kreuz auf der Brust. Zorro war auch dabei; er trug einen karierten Mantel. Brodsky versetzte dem Chef laut kichernd einen Rippenstoß. »Soll ich ihn den Hügel hinunterwerfen, Isaac? Sollen diese alten Männer doch gleich um Zorro trauern, wenn sie schon hier sind. Dem tipp ich einmal auf den Kopf, und du kannst den Fall Guzmann abschließen. Zorro braucht dann kein Hirn mehr.«
    Isaac deutete auf einen Mann auf der anderen Seite des Hügels, einen Mann, dessen Kleidung einem anderen Geschmack als dem von Zorro folgte; er trug Ohrenschützer aus einem Kramladen in der Bronx, einen Schal, der so gescheckt war wie ein Taschentuch, mehrere Lagen Pullover, eine Latzhose mit ausgebeultem Hintern, die direkt über den Waden aufhörte, und Galoschen, die sich nicht zuschnallen ließen. Seine Nasenflügel waren flach und er hatte eine außergewöhnlich breite Stirn.
    »Tu mir einen Gefallen, Brodsky. Wenn du unbedingt drohen musst, dann bitte leise. Das da drüben ist Jorge. Zorros großer Bruder. Kugeln können ihm nichts anhaben. Er hat eine Elefantenhaut. Wenn wir uns an Zorro ranmachen, schaufelt er uns Schmutz in die Augen. Und jetzt benimm dich.«
    Isaac nahm die Hände aus der Tasche, als er auf Zorro Guzmann zuging – sein Taufnahme lautete César –, damit Jorge seine friedlichen Absichten nicht fehlinterpretieren konnte und mit quietschenden Gummistiefeln und verrutschten Ohrenschützern den Hügel hinabgaloppierte. Zorro hatte Schlamm auf seinen Schweinslederschuhen. Sein bunt gemusterter Mantel wurde nachmittags orange. Isaac bemühte sich, nicht auf Zorros zarte Füße zu starren.
    »Zorro, seit wann interessiert sich Papa für die Angelegenheiten eines Jeschiwe-Mädchens? Brooklyn ist nicht euer Bezirk.«
    »Isaac, hältst du meinen Vater für einen Analphabeten? Er liest die Daily News. Das Mädchen ist doch eine Ladina? Glaubst du, mein Vater lässt zu, dass sie in ungeheiligtem Boden ruht? Nicht, wenn sie eine spanische Jüdin ist. Siehst du diese Totenkläger auf dem Hügel? Heilige Männer. Seit zwei Uhr verfluchen sie Esthers Eltern.«
    »Eine ergreifende Geschichte, aber bist du sicher, dass Papa Esther nicht deshalb heiligspricht, weil sie versucht hat, mich umzubringen?«
    »Deine Gotteslästerungen haben auf einem Friedhof nichts zu suchen, Isaac. Mein Vater ist ein religiöser Mensch. Ihm ist es gleich, ob du lebst oder stirbst.«
    »Das ist auch gut so. Ich respektiere deine Familie, Zorro. Ich habe mich nie in die Geschäfte der Guzmanns auf der Boston Road gemischt. Jetzt nimm das Wachs aus den Ohren. Manhattan ist nichts für euch. Die Schaben haben einen ekligen Stachel.«
    »Ich kann Manhattan nicht einmal buchstabieren, Isaac. Warum sollte ich dort wohnen wollen?«
    Isaac war mit seinen obligatorischen Ratschlägen am Ende. Er hatte gute Lust, Zorros auffallenden Mantel zu zerfetzen. Wenn er sie auch nur einmal in Manhattan erwischte, würde er die Guzmanns in einen Abwasserkanal stoßen.
    »César, willst du mich nicht nach Blue Eyes fragen?«
    Zorro grub mit dem Schweinsleder auf seinen Füßen die Erde um. »Erzähl mir nichts von blau. Blau ist eine widerliche Farbe in meiner Religion. Du solltest deine Geschichtskenntnisse aufbessern, Isaac. Vor sechshundert Jahren trugen in Spanien und Portugal alle Richter blaue Umhänge. Kommst du nicht von allein drauf? Eine dunkle Farbe sollte verhindern, dass der Gestank eines Juden ihre Achselhöhlen verpestete.«
    »Hat dir das dein Vater erzählt?«
    »Nein, ich weiß es von meinen Brüdern.«
    Zorros vier Brüder, Alejandro, Topal, Jorge

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