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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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hantieren? Wer würde schon glauben, ein Mädchen wolle gern mit Isaac sterben? Er hatte gehofft, Rupert werde ihm Esthers Motive enthüllen. Die Auskünfte des Jungen sickerten nur langsam ein. Rupert hatte Isaac zum Mörder gestempelt.
    Er schickte Coen tief nach Brooklyn hinein, um Esthers Familie auszufragen. Coen kam nur knapp mit dem Leben davon. Die Spaniolen beschimpften ihn und gingen mit Fingernägeln auf ihn los. Sie leugneten jegliches Wissen über Esther. Damit gab Isaac sich nicht zufrieden. Er war mit eigentümlicheren Juden als diesen fertig geworden. Hatte er etwa nicht den Zadik von Williamsburg zum Lächeln gebracht? In einer Synagoge, die größer war als ein Fußballplatz, hatte er mit Chassidim getanzt. Also machte sich Isaac selbst daran, Esther zu ergründen. Er nahm Brodsky mit. In Manhattan oder in der Bronx hätte Isaac keine Gesellschaft gewünscht; dort konnte er jede Straße mit der Nase bestimmen. Brooklyn dagegen war ein zweites Arabien, ohne Limousine nicht passierbar für Isaac, eine Wüste von widersprüchlichen Gegenden, mörderisch und leise, Luftlöcher, die Schauer durch die derben Unterhosen eines Bullen jagen konnten. Isaac fand Esthers Angehörige in einem Straßenzug von Privathäusern nahe Gravesend und Coney Island Creek. Er wurde nicht hineingebeten. Ein Mann mit Gebetskäppchen, der Esthers Vater, Onkel oder Bruder hätte sein können – seine zuckenden Augenbrauen und die herabhängenden Ohren machten es unmöglich, sein Alter zu bestimmen –, kam heraus, um Isaac mit einem Metzgermesser zu begrüßen. Isaac wich auf den Gehweg zurück und verlor seine Illusionen über sephardische Juden. Er gab Brodsky ein Zeichen und wedelte mit der Faust Richtung Manhattan.
    Jetzt ließ er Brodsky wieder rufen, Isaac wollte zum Leichenschauhaus ins Bellevue. Der Gummiknüppeltrupp stopfte ihm den Regenmantel mit einer frischen Lieferung Bleistifte voll – auf seinen Fahrten mit Brodsky kritzelte der Chef gern vor sich hin. Der Chauffeur wirkte mürrisch und beklommen. Von Krankenhäusern und Leichenhallen hielt er sich am liebsten fern. Isaac hatte nicht vor, Brodsky mit einem dämonischen Gerichtsmediziner zu konfrontieren. Der Chef war hinter Esthers Leiche her. Die Spaniolen hatten keinen Anspruch auf sie erhoben und sie in einem städtischen Kühlfach liegenlassen. Falls die Hands of Esau sich weigern sollten, einen jüdischen Lollipop auf dem Friedhof der Gesellschaft zu beerdigen – es stand in Barney Rosenblatts Macht, Isaacs Gesuch abzuwürgen –, wollte er aus seiner eigenen Tasche für ein Grab blechen, ein Grab mit einem offiziellen Grabstein.
    Der Leichenwärter ließ sich von Isaac einschüchtern. Er schwor bei seinem Leben, dass Esther verschwunden war. »Du hast alle Vollmachten, Isaac. Reiß die Wände ein. Der Leichenbeschauer hat Angst vor dem First Dep. Du wirst nichts finden. Das Mädchen ist geholt worden.«
    »Hat man sie zum Armenbegräbnis nach Ward’s Island gerudert?«
    Der Gedanke, Esther könnte in ein Verbrechergrab gekippt werden, machte Isaac wahnsinnig. Ihm schauderte bei dieser Vorstellung. Diese Gräber wurden alle zehn oder zwanzig Jahre ausgeschaufelt, um einen Haufen anderer Knochen aufzunehmen.
    Der Wärter lächelte. »Nein, Isaac, sie ist nicht in Ward’s Island. Jemand hat für sie unterschrieben.«
    »Zeig mir den Freigabeschein, du Mistkerl.«
    Der Wärter kehrte mit einer länglichen Karte zurück.
    »War es ein Verwandter?«, murmelte Isaac.
    »Nein, hier steht ›Bewunderer‹.«
    »Wie heißt der Bewunderer? Könnte es Rupert heißen?«
    Der Wärter schielte auf die Karte. »Es ist nicht allzu gut lesbar, Isaac. Ein Wort. Mit Z fängt es an.«
    »Zorro«, sagte Brodsky, einer plötzlichen Eingebung folgend; sein Kinn ragte über die Schulter des Wärters.
    Der Wärter rollte die Augen. »Die Leichenhalle kann man nicht austricksen, Isaac. Wer ist Zorro?«
    »Einer der Guzmann-Söhne.« Der Friedhof mit dem Familiengrab der Guzmanns lag in Bronxville. Von einem anderen Wärter erfuhr Isaac, dass Zorro Guzmann sich Esthers Leiche erst vor zwei Stunden geschnappt hatte. Er eilte aus dem Leichenschauhaus.
    Brodsky tappte hinter dem Chef her. »Das hat weder Hand noch Fuß, Isaac. Was sollten die Guzmanns mit einem Lollipop anfangen? Glaubst du, sie planen eine Wiederbelebung? Wollen sie sie auf der Straße verkaufen?«
    Die Guzmanns, eine Sippe von Marranen aus Peru, Taschendiebe und Einbrecher, hatten sich in der Bronx niedergelassen

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