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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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er seine Hose um einen Nagel über seinem Kopf, schlug sich mit der Faust auf seine groben Knie, und durch die Tür drangen abscheuliche Lieder, von denen Marilyn wegen der fieberhaften Intonation des Junggesellen annahm, dass es sich um Balzgesänge handelte. Weitere Anhaltspunkte hatte sie nicht. Die Lieder hatten nichts mit einer Sprache zu tun, die Marilyn kannte; es schien, als zirpe er englische, jiddische und ungarische Wortfetzen. Marilyn verspürte wenig Lust, ihren Sinn zu ergründen.
    An jenem Morgen, sie musste dringend pinkeln, taumelte sie in die Toilette. Sie schwankte, um einem Zusammenstoß mit den Knien des Junggesellen zu umgehen. Ihr Busen schlug gegen die Wand. »Christus«, sagte sie. Er saß dort und klappte seine Zähne mit hässlichen Geräuschen aufeinander, und aus seinem Bauch erhob sich ein roter Schwanz, um einem irisch-jüdischen Mädchen ein Ständchen zu bringen. Marilyn wollte Coen.
     
    Selbst der PC konnte Isaac nicht von seinem Schreibtisch loseisen. Isaacs miese Laune verwirrte seine Untergebenen. Ein Lollipop-Mädchen, das sich selbst in die Luft gesprengt hatte, konnte ihn nicht mehr anmachen. Isaac war doch ein Held. Hatte er etwa nicht Esthers selbst gemachte Bomben überlebt, ein Fantasiegebräu in Mayonnaisegläsern? Wen oder was betrauerte er also?
    Stundenlang saß er da, ohne dass sich seine Wangenmuskeln entspannten. Er ging nicht auf seine Männer ein. Sie gehörten zum Gummiknüppeltrupp, frühere »Engel« Isaacs, die die größtmögliche Demütigung erlitten hatten: Wegen Übereifer auf der Straße hatte der PC ihnen die.45er abgenommen. Der Polizeiarzt hatte sie wegen Schießwütigkeit aus dem Verkehr gezogen. Anscheinend hatten sie zu viele Nasen abgeschossen. Jetzt verrichteten sie Büroarbeiten für Isaac. Empfindsam nahmen sie die leiseste Veränderung in Isaacs Wesen wahr, seinen Stachelschweinskalp, diese unbeugsamen Stellen hinter seinen Ohren, die seine Angespanntheit verrieten. Worauf wartete der Chef bloß?
    Um drei Uhr nachmittags läutete das Telefon. Der Gummiknüppeltrupp bemerkte, wie seine Kopfhaut in Bewegung geriet, diese Männer hatten eine übersinnliche Wahrnehmung für die Geräusche entwickelt, die ein Telefon von sich geben konnte. Isaacs Zunge berührte den Hörer fast. »Hallo?«
    »Ist dort Isaac der Reine?«
    Die Luft wich aus Isaacs Backen und ließ sie gelockert zurück. »Ich rufe wegen Esther Rose an. Du hast sie ermordet, du Schwein. Sie hat dir Suppe gebracht, aber du musstest sie natürlich fertigmachen.«
    »Eine schöne Suppe«, sagte Isaac. »In einem komischen Gefäß. Wo bist du, Rupert?«
    »Das wüsstest du gern, was? Isaac, hat sie geschrien, als du sie gefoltert hast. Oder hat sie in deine Polizistenvisage gespuckt?«
    »Wir müssen miteinander reden, Rupert. Ich treffe dich, wo du willst.«
    Die Gummiknüppeltruppe wuselte herum, um Ruperts Anruf aufzunehmen. Mit einem Schütteln seines Kinns hielt der Chef sie von den Mitschneidegeräten fern. Sie konnten nicht glauben, dass Isaac sich von einem Lollipop einschüchtern ließ.
    »War der, der sich mit Esthers Arm befasst hat, der hübsche blonde Bulle? Den krieg ich auch noch.«
    »Blue Eyes? Er hat Esther Rose nie gesehen. Geh nicht auf die Straße, Rupert. Ein paar finstre Italiener suchen dich.«
    »Isaac, versuchst du, mich hinzuhalten, bis deine Techniker meine Telefonzelle ausfindig gemacht haben? Das kannst du glatt vergessen. Ich lege auf.«
    »Du überschätzt uns, Rupert. Das FBI entwirrt Leitungen, nicht wir. Wir sind primitive Menschen.«
    »Du wirst schneller primitiv sein, als du denkst. Ich werde mit deinen Kieferknochen spielen. Deine Zähne weiche ich in Essigwasser ein. Dein Gehirn schicke ich ins Präsidium, per Nachnahme. Man wird noch an dich denken, Isaac. Du wirst dir nichts auf Erden sehnlicher wünschen, als Esther nicht gefickt zu haben. Auf Wiedersehen.«
    Isaac hielt einen toten Hörer im Schoß. Die Gummiknüppeljungen wichen vor ihm zurück. Der Gedankensturm des Chefs war nicht zu übersehen. Bis auf die Tatsache, dass Esther sich geopfert hatte, war nichts von der Gerichtsmedizin oder der Spurensicherung, die Fingerabdrücke von den Mayonnaisegläsern entnommen hatte, in Erfahrung zu bringen. Isaac musste sich unter die Oberfläche wühlen. Nachlässige Mädchen lassen ihre Mäntel nicht unter einem Waschbecken liegen. Esthers Nacktheit durchkreuzte die simple Theorie eines Unglücksfalles. Machte es ihr Spaß, unbekleidet mit Bomben zu

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