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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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hin.
    Eine Erbse, die unter Hautschichten glitt, brachte Marilyn nicht gerade aus der Fassung. Ein Mann mit Bruch hätte sie in ein leidenschaftliches Mädchen verwandeln können, doch dazu war George zu grob. Er bestieg Marilyn, seine Sockenhalter kratzten sie an den Beinen, und erzwang sich Einlass. Sie klagte nicht. Sie hatte Bummy schließlich nicht wegen eines Kaffeeklatschs ausgesucht. In ihrer Lunge war Whiskey. Das Reiben der Sockenhalter und Georges miese kleine Stöße waren auszuhalten. Sie konnte ihn noch nicht einmal bei den Ohren halten, um seinen Rhythmus mitzumachen. Er senkte den Kopf nicht. Sein Orgasmus erschöpfte sich in einem Knurren. Er kletterte von Marilyn herunter, zog den Gürtel seines Bruchbandes hoch und holte sein Jackett aus dem Kleiderschrank. »Ich hab’s eilig«, sagte er. »Bummy braucht mich … er fühlt sich einsam, wenn ich nicht hinter der Bar stehe.«
    Marilyn blieb liegen. Sie wollte nicht gleich wieder nach unten schleichen und an einer Maraschinokirsche lutschen. Whiskey Sour würde sie gegen Coen einnehmen. Sie bekämpfte ihre Bitterkeit, indem sie sich in Bummys Lavendellaken festkrallte. Jesus, Josef und Maria, wenn Blue Eyes nicht bald in sie reinkam, würde sie sich immer wieder nach einem George umsehen.
    Schließlich zog sie sich an, grapschte ihr Zeug von dem Stuhl. In Bummys Zimmer war kein Waschlappen zu finden. Mit Milch auf den Schenkeln ging sie raus. »Das Dasein einer alten Jungfer ist nicht das Schlechteste. Ich werde auch ohne Manfred Coen überleben.« Die Küche machte sie nicht nervös. Von ihr aus konnte Gulavitch ihren Hals zum Spielen haben. Sie würde ihm behilflich sein, die Daumen in ihre Luftröhre zu drücken. Gula rief sie zum Kasten herüber. »Frolleinchen, ich habe ein Kartoffelgesicht für dich.«
    Mit seinen Nägeln hatte er eine warzige Kartoffel geschnitzt.
    Das Gesicht hatte Nasenlöcher, Ohren, Lippen und ein Paar Warzen als Augen. Gula hatte ihr ein Doppelkinn gemacht; und die Niedergeschlagenheit der Geheimratsecken verliehen der Kartoffel die verzerrten Züge eines Büßers. Marilyn ließ sich nicht durch düstere Einzelheiten abschrecken. Die Kartoffel war als Freundlichkeit ihr gegenüber gedacht. Sie bekam einen Heulkrampf, erschüttert von dem gezeichneten Gesicht. Das Geschenk war von einer Eindringlichkeit, zu der kein Ehemann fähig wäre. Gula musste den Anflug von Wahnsinn in ihr bemerkt haben, als sie mit George durch die Küche gegangen war. Wollte er ihr mit der Kartoffel sagen: ›Frolleinchen, du bist nicht allein?‹ Sie hätte Gula ›Blaue Eier und Vaterscheiße‹ ins Gesicht schreien können; ohne Scham zu empfinden, heulte sie sich an seiner Brust aus. Er zog einen Lumpen für Marilyn aus dem Ärmel. Sie wischte sich die Augen ab.
    »Setz dich nicht an die Bar. Bummy ist ein Schleimscheißer. Dort mag dich niemand. Sag deinem Vater, Gula der Einäugige scheißt auf ihn.«
    »Das tue ich, Mr. Gulavitch. Ich verspreche es Ihnen.«
    Mit dem Lumpen in der Hand rauschte sie aus der Küche und ging an Bummy vorbei, der sich über ihren zerknitterten Rock lustig machte, und an George, der sie verfluchte, weil sie den Klumpen in seinen Lenden wieder entflammt hatte. Marilyn störte sich nicht daran. Sie schnappte ihre Pakete vom Barhocker, die Matze und die Kürbiskerne, und verließ East Broadway.
12
    Rupert klaubte Esthers Möbel und Gebrauchtgegenstände zusammen, einen kaputten Stuhl, ein Nadelkissen, wie es die spaniolischen Näherinnen benutzten, Fetzen aus ihren Jeschiwe-Zeiten, Tampons in einem Bonbonpäckchen, Kreidestücke, verschiedene Chemikalien und einen verkrusteten Topf, alle weltlichen Güter, die sie in das Gebäude an der Suffolk Street mitgebracht hatte, Esthers letzte Adresse. Rupert lechzte danach, Esther zu verfluchen. Seine Finger misshandelten das Nadelkissen. Einige Fäden rissen, und die Fetzen lösten sich in ihre Bestandteile auf. Die Kreide blutete grün und gelb gegen seine Handflächen. Er konnte das Wort »Hure« nicht aussprechen.
    Wie hatte er nur so blöd sein können, was die Zutaten in Esthers Topf anging? Sie musste ein Rezept aus dem anarchistischen Kochbuch gestohlen haben. Der saudumme Rupert hatte vergessen, wie eine Bombe riecht. Hatte Esther eine Wollschnur gedreht? Ihre Einmachgläser mit Tampax angezündet? Oder hatte Isaac sie an der Tür geschnappt, ihr in die Nippel gebissen, sie in einen Raum geworfen und sie mit dem Streichholz versorgt? Solche Bildfolgen waren nicht

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