Das Isaac-Quartett
und Jerónimo, besaßen eine an Hexerei grenzende Gabe, sich in der Bronx zurechtzufinden, denn die Buchstaben auf einem Straßenschild konnten sie nicht lesen, und den Tücken einer Drehtür waren sie nicht gewachsen. Jerónimo, der Älteste, schlief im Kinderbett.
»César, du hast mich immer noch nicht nach Coen gefragt.«
»Da gibt es nichts zu fragen. Manfred ist aus Papas Zuckerbäckerei ausgeflogen. Er hat sich bei dir ein Nest gebaut.«
Coen war in der Boston Road aufgewachsen, an der Papa Guzmann unter dem Deckmantel von Eierflips und Karamellbonbons sein Imperium errichtet hatte. Papa war es gewesen, der Coens Eltern in den Selbstmord getrieben hatte, indem er sie mit Geldgeschenken unter seine Kontrolle gebracht hatte, bis der erbärmliche Eierladen, den sie betrieben, in Papas Hände gefallen war.
Zorro wandte sich von Isaac ab. Auf Geheiß seines Vaters war er nach Bronxville gekommen, um eine unerwünschte Ladina mit drei christlichen Rabbis, die auf dem geheiligten Hügel der Guzmanns herumlungerten, unter das gefrorene Gras zu betten. »Dies hier ist ein Begräbnis, Isaac. Ich kann nicht weiterreden.«
Isaac schleppte sich mit Brodsky den Friedhof hinunter. Der Chauffeur musterte Jorge Guzmann durch den Ärmel seines Mantels; es bestürzte ihn, dass der Chef sich vor einem Schwachsinnigen mit offenen Galoschen fürchtete.
»Bitte, Isaac, lass mich diesem Jorge eins aufs Ohr geben. Dann sehen wir ja, was rausfließt: Wasser, Pisse oder Blut.«
Brodsky musste einen unglaublich finsteren Blick einstecken. Dem Chef war nicht nach Gesellschaft. Er setzte sich auf den Rücksitz. Mit der Hitze, von der seine beiden Augen überliefen, hätte er Brodskys Lippen versengen können. »Esther«, murmelte er. Von einer Welt voller Lollipops hatte er genug.
11
Ein Mädchen konnte vom Geruch von Hüttenkäse im Kühlschrank seines Vaters durchdrehen. Zwischen Isaac und seiner »Verlobten« eingezwängt verfiel Marilyn ins Grübeln über die Umstände ihres vergangenen und ihres gegenwärtigen Lebens: Sarah Lawrence, drei Ehemänner, Hüttenkäse und die Rivington Street in sieben Jahren. Sie musste sich von den Blintzen und von Ida Stutz befreien. Marilyn brauchte Blue Eyes, doch ihr Vater hatte sie seiner beraubt. Sie zog ihren Wintermantel an, schloss Isaacs Tür ab und ging auf die Straße. Isaac konnte man nicht entkommen. Man nickte ihr in der Matzefabrik zu, im Laden mit den pikanten Happen und den Pflaumen im Fenster, in der ungarischen Bäckerei mit den dunklen Brotkrusten, die bei Witwen und Geschiedenen gegen Verstopfung, Furunkel und Gicht halfen.
»Hallo, Miss Sidel. Und wie geht es dem Chef heute? Seien Sie nicht so schüchtern, meine Liebe. Nehmen Sie ein Stück Strudel für Ihren Vater und für sich mit. Bitte. Warum halten Sie mir eine Geldbörse unter die Nase? Es ist noch zu früh am Morgen, um einen Zehndollarschein zu wechseln.«
Die ganze verfluchte East Side lag ihrem Vater zu Füßen. Erst in Little Italy hatte man das Gefühl, seine Behausung wirklich verlassen zu haben. Dort musste sie einkaufen, wenn sie am Leben bleiben wollte. Im Territorium ihres Vaters war es ihr nirgends gestattet, ihre Ware zu zahlen. Eine Ecke nach der Rivingston Street war sie mit Paketen beladen. Sie hatte Strudel, Weizenschrotmatze, Salzstängel und Kürbiskerne. Sie ging zu Bummys am East Broadway, um Isaacs Anbetern zu entgehen. Bei Bummys verachtete man ihren Vater. Sie fasste das als angenehme Abwechslung auf.
Marilyn bestellte einen Whiskey Sour mit zwei Scheiben Zitronen und einer Prise Salz. Sie wusste von dem alten Gauner, der in Bummys Küche arbeitete, dem einäugigen Gulavitch, den ihr Vater übel zugerichtet hatte. Isaac hatte seine Knöchel in Gulas Auge gebohrt. Sie fragte sich, ob der alte Schieber sich wohl auch an ihr rächen würde, doch sie konnte nicht bis in die Küche sehen.
Bummy Gilman kam zu ihrem Barhocker herüber. Es beunruhigte ihn, ein mageres Mädchen mit Titten in seiner Bar zu haben. Ein Flittchen wie Marilyn konnte ihm Ärger machen. Isaac war in der Lage, jede Bar zu ruinieren.
»Schau nicht so finster, Bummy«, sagte sie. »Ich bin nicht Isaacs Laufbursche. Ich soll dir keine Grüße von ihm ausrichten.«
»Hält dich jemand für einen Polizeispitzel, Marilyn? Ich jedenfalls nicht.« Er rief dem Barkeeper zu: »George, gib der Dame mehr Eis als üblich.« Der Barkeeper erschien mit einem Eiswürfel. Dann zog er sich wieder auf seinen Posten zurück und spielte mit
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