Das Isaac-Quartett
Ruperts Sache. Wie Esther auch gestorben sein mochte – er wollte sich Isaac so bald wie möglich schnappen.
Heute war chinesisches Neujahr, das Jahr des Schwanes, und Rupert hatte eine vorrangige Verpflichtung. Er hatte die Absicht, Stanley Chin zu befreien. Den Schädel berstend voll mit Esther, ein starkes, bitteres Sehnen, dem verrückte Fantasien entsprangen – war es koscher, ein totes Mädchen zu vögeln? –, erzitternd unter den Eindrücken, Bildern ihrer Seele und ihres Körpers, die ihn jeden Moment um den Verstand bringen konnten, plante er seinen Angriff auf St. Bartholomew. Kriminalbeamten und Krankenschwestern, die ihm in die Quere kamen, wollte er die Kehle durchschneiden. Er wollte den Gefangenen Huckepack nehmen, ihn nach Chinatown übersetzen – Rupert konnte über einen Fluss blinzeln –, damit Stanley Neujahr in einem chinesischen Café feiern konnte.
Rupert hatte ihn kennengelernt, als sie beide im ersten Jahr in die Seward Park High School gingen. Stanley war ein Muskelpaket, Geldeintreiber für chinesische Kaufleute und Vermieter und Leibwächter des Republikaner-Clubs der Pell Street. Gerade die Deplaziertheit der Republikaner in Chinatown beeindruckte Rupert: Stanley Chin schlug sich immer auf die Seite der Verlierer. Er kam aus Hongkong und stand auf Kugelhanteln, amerikanische Zigaretten und Bruce Lee. Er konnte Backsteine zerbröseln, Wände eintreten, Tischbeine zerschmettern, bis die Snapping Dragons der Pell Street, Stanleys alte Bande, ihn mit verkrüppelten Fingern und Zehen nach St. Bartholomew geschickt hatten. Rupert fühlte sich dafür verantwortlich; er hatte Stanley aus Chinatown geholt, ihn für seine eigenen fadenscheinigen Zwecke angeworben, die Demontage Isaacs, und ihn Esther Rose vorgestellt.
Gorillas aus der Mulberry Street trieben sich in Ruperts Nähe herum; sie hatten klare Anweisungen im Kopf. Amerigo Genussa vom Garibaldi-Club hatte ihnen eingeschärft, nicht ohne ein Andenken an Rupert Weils Körper nach Little Italy zurückzukehren; ein Ohr, ein Fingernagel, ein jüdischer Nabel, ganz gleich, was, solange es ihn für die nächsten zehn Jahre außer Gefecht setzen würde. Rupert sah sie mit eingezogenen Schultern in ihren langen grauen Mänteln auf der Suffolk Street stehen und sich zwischen die Knöchel blasen, um mörderisch nahe Erfrierungen zu besänftigen. Ein fauliger Wind von jenseits der Bowery musste sie Rupert an die Fersen gesetzt haben. Vor Gorillas hatte er keinen Respekt. Die Vorstellung, gegen Geld den starken Mann zu markieren, war ihm widerwärtig. Er hätte Esthers Stuhl die Feuertreppe hinuntergeschleudert und zugeschaut, wie er ihren Hirnschalen entgegensegelte, wenn er es nicht ganz so eilig gehabt hätte.
Durch ein Kellerfenster an der Rückseite des Hauses kletterte er ins Freie. Sollten die Gorillas für den Rest ihres Lebens in ihre Knöchel hauchen; ehe sie Rupert fanden, würde ihnen der Rotz in der Nase einfrieren. Er rannte zur Gurkenfabrik in der Broome. Die Kaufleute hatten ein kleines Feuer angezündet, damit ihnen die Gurken nicht einfroren. Das Salzwasser, das aus den Fässern kam, ging Rupert zu Herzen. Gern hätte er seine Ohren in ein Fass getunkt. Ein fetter Mann schnaubte ihn mit sichtlicher Verdrossenheit an. Es war Tony Brill. Der Journalist wartete schon seit einer Stunde auf ihn.
»Kohle her«, sagte Rupert.
»Erst wenn du redest. Was hast du empfunden, als ihr Isaacs Mutter zusammengeschlagen habt?«
Rupert blickte den Journalisten finster an. »Gar nichts. Wir mussten Isaac ausräuchern. Nur das hat gezählt.«
»Hat es dir Spaß gemacht?«
»Bist du bekloppt?«, sagte Rupert.
»Ihr habt sie doch fast umgebracht.«
»Nee. Sie ist hingefallen. Hat sich den Kopf verletzt. Das waren nicht wir … Du musst wissen, mit Isaac als Lehrer fällt das Töten nicht so schwer.«
Der Journalist holte einen Packen Dollarscheine aus der Tasche, zwanzig einzelne Dollar, die er sich von seiner Vermieterin und seinem momentanen Arbeitgeber geborgt hatte, einer Untergrundzeitung namens The Toad. »Erzähl mir deine Geschichte«, sagte er geifernd. »Von Anfang an. Du, Esther und Stanley Chin.«
Rupert sagte: »Morgen.«
Spucke tröpfelte vom Gesicht des Journalisten. »Bist du verrückt? Bist du wahnsinnig? Vielleicht schneit es morgen. Vielleicht sterbe ich an Grippe. Entweder du gibst mir die Geschichte oder ich hole mir meine zwanzig Dollar wieder.«
Rupert war schon halb in der Ludlow Street. »Kannst du haben«,
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