Das Isaac-Quartett
rollte sich zu Stanleys Bett. »Das Klingeling, das ist für dich.«
»Wer ist dran?«
Der Pfleger lachte. »Dein Liebling. Blue Eyes. Du hast Glück mit diesem Bullen. Du scheinst ein spezieller Kunde zu sein.«
Der Pfleger zog die Gitterstäbe des Bettes runter, aber den Rollstuhl trat er Stanley nicht ab. »Lass ihn warten. Du willst doch nicht, dass er glaubt, du seist leicht rumzukriegen.«
»Chico, in meiner Tasche ist ein Vierteldollar. Nimm ihn raus und schieb mich zum Telefon.«
Der Pfleger griff in Stanleys Schlafanzug, erwischte die Münze, schnippte sie raus und ließ Stanley auf seinen Schoß klettern. Auf die rücksichtslose Tour paddelte er sie beide durch die Abteilung, stieß gegen Bettpfosten, wetzte Wände ab, trieb die anderen Gefangenen, die der Schnee völlig fertigmachte, in die Enge, glitt dann aus dem Rollstuhl und drückte Stanley den Hörer in den Ellbogen. Stanley verrenkte sich fast den Kopf, bis er den Mund an der Muschel hatte. »Mr. Coen?«
Er hörte nur ein grässliches Surren und Knistern, das eine teuflische Resonanz an seinem Kiefer hatte. Dann drang ein Kichern durch die Leitung. »Ich bin’s.«
»Rupe?« Stanley war total daneben, dachte aber immerhin noch daran, sich von dem Pfleger abzuwenden, damit die Stimme dieses kichernden Wahnsinnigen nicht durchdrang. »Chico hat gesagt, es sei Blue Eyes.«
»Du Schmock, hätte ich etwa meinen richtigen Namen sagen sollen? Würde man Rupert Weil mit Bellevue telefonieren lassen? Blue Eyes erreicht dich überall.«
Die atmosphärischen Störungen saugten an Stanleys Wange. »Rupe, das Krankenhaus ist von der Außenwelt abgeschnitten. Es gibt keine Milch mehr für die Babys. Die Krankenschwestern laufen rum und wollen den Gefangenen Blut abnehmen. Wie hast du angerufen?«
»Mit meinem Mittelfinger. Kennst du eine andere Art, Telefonnummern zu wählen?«
»Plärr nicht so. Das Telefon macht mir Warzen ins Ohr.«
»Also, ich werde dich aus dieser miesen Kloake rausholen. Aber heute nicht. Ich erledige Botengänge für meinen Vater.«
»Wer würde bei einem Sturm Botengänge erledigen?«
»Ich werde Marilyn flachlegen. Lady Marilyn.«
Stanley kroch fast in den Hörer. »Was hast du eben gesagt, Rupe?«
»Ich werde Isaacs Tochter flachlegen – endgültig.«
Der Hörer löste sich aus Stanleys Ellbogen und knallte gegen die Wand. »Chico, würdest du dich für einen Kumpel bücken?«
Der Pfleger grapschte nach dem Hörer. »He, Mann, gib Blue Eyes ein Küsschen und sag auf Wiedersehn.«
Stanley beugte sein Gesicht auf den Hörer; die atmosphärischen Störungen konnten einem Löcher in den Mund brennen. Er ließ das Telefon fallen. Rupert war nicht mehr dran. Der Pfleger kippte ihn ins Bett. »Schreib eine Nachricht für mich, Chico – bitte. Es ist wichtig.«
»Schreib doch selbst. Wir haben eine Gewerkschaft, Mann. Ich bin nicht dein Sklave.«
Stanley wedelte mit seinen Gipsfäustlingen. »Glaubst du, ich würde dich fragen, wenn ich schreiben könnte? Du bekommst einen Dollar von mir.«
»Ich hab in deine Tasche gelangt, Mann. Du hast keine Kohle.«
»Ich bleib es dir schuldig. Mach dir keine Sorgen. Blue Eyes wird zahlen.«
Der Pfleger sah ihn schief an. »Hat sich Blue Eyes drauf verlegt, Ungeziefer zu unterstützen?« Er steckte seinen Kuli in den Mund und kritzelte auf der Rückseite eines Speisezettels rum. »Was soll ich schreiben?«
Es war Stanley zuwider, aber er musste dem Pfleger seine Sorge diktieren; er hatte keine andere Wahl. Er konnte Coen nicht ins Bellevue zaubern, sich keinen andern Bullen angeln. Er hatte in St. Bartholomew nicht geschlafen. Die Kriminalbeamten, die ihn bewachten, konnten Coen nicht ausstehen. Auch Isaac und seine Tochter, die sie als dürre Fotze bezeichneten, hassten sie. Von ihnen hatte Stanley erfahren, dass Blue Eyes in Marilyn verliebt war. Er wollte Rupert nicht verpetzen, aber Coens Freundin durfte auch nicht sterben. Daher diktierte er dem Pfleger: »Lieber Detective Coen; passen Sie bitte auf Marilyn auf. Wenn sie heute Abend ihre Tür aufmacht, kriegt sie viel Ärger. Hochachtungsvoll, Stanley Chin«
Der Pfleger kritzelte einen Schuldschein. Er klemmte den Schreiber gegen Stanleys Gips und zwang ihn zu einer Unterschrift. Sie bestand aus einer Reihe von Huppeln. »Das geht ans Polizeipräsidium«, sagte Stanley. »Blue Eyes wird dir mehr als einen Dollar zahlen.«
Der Pfleger grinste. Er ließ Stanley allein, schob die Nachricht durch einen Schlitz in der Eisentür
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