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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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nach einem Untergebenen mit einer Taschenlampe oder einem Streichholz. »Wo treibt ihr euch alle rum?«, rief er. »Verdammte Saubande.«
    Er ging zum Treppenabsatz, klammerte sich am Geländer fest. Dunkle Treppenhäuser konnten ihn nicht einschüchtern, einen Mann mit zwei Pistolen, einen Superchef, unter sich dreitausend Kriminalbeamte. Er träumte von seiner Polin und von dem Imperium an Riegeln und Schraubenmuttern, das er bald mit ihr teilen würde, Rosenblatt, der Eisenwarenkönig.
    Er spürte ein Zittern im Geländer. Cowboy war kein Mystiker; Holz zitterte nicht von allein. Ein anderer Polizist musste sich die Treppe hinauf- oder hinunterbewegen. In der Nähe von Cowboys Oberschenkeln flackerte ein Streichholz auf. Im Schatten sah er Backen, eine gefurchte Stirn, die breite Nase Isaacs des Gerechten. Cowboy fummelte am Perlmutt seines Colts. Er hätte Isaac die Augen ausschießen können.
    »Du solltest nicht ohne Begleiter die Treppe hochgehen, Isaac. Da sei Gott vor, aber du könntest auf die Nase fallen. Wo ist Coen?«
    Isaac ließ das Streichholz ausgehen. Cowboy drückte sich ans Geländer.
    »Stoß zu, Barney. Das Fliegen würde mir Spaß machen. Aber denk dran, dass ich eine Knarre an deinen Rippen habe. Sie sitzt in einem komischen Winkel. Wenn du mich genügend durchschüttelst, könnte sie in deiner Leistengegend losgehen.«
    »Du bist ein Vieh, Isaac, genau das bist du. Viele meiner Vorfahren waren Kantoren, alles heilige Männer. Allein in Brooklyn haben die Rosenblatts drei Synagogen errichtet. Du, Isaac, du schleckst die Gosse aus.«
    Isaac ging dicht an ihm vorbei, ohne ein weiteres Wort zu verlieren. Cowboy blieb am Geländer stehen. Wohin konnte er gehen? Sollte er in den Keller laufen und mit den Jungen von der Fingerabdruckbande kiebitzen oder sollte er sich in den Sturm stürzen und sich einen Tunnel zum Geheimdienst graben? Er entschied sich, stehen zu bleiben. Das Geplänkel mit Isaac brachte ihn auf das Thema Töchter, Isaacs und seine eigene. Wollüstige Vorstellungen beschlichen ihn. Ein wahnsinniger Drang überkam ihn, Marilyn the Wild rumzukriegen, sie nackt zu betatschen, an ihren Nippeln zu knabbern, Sperma zwischen ihre Augen zu tröpfeln. An Marilyns Körper wollte er die Hässlichkeit seiner Tochter rächen. Cowboy hatte Brooklyn nach einem Ehemann für seine Anita durchforsten müssen, einen um seine Existenz ringenden Junggesellen kapern, der älter war als er, seine Tochter an einen Mann mit schlechten Zähnen und einer geschwollenen Prostata verheiraten, während die geile Marilyn ihren Ehemännern davonlief und eine Affäre mit Manfred Coen hatte. Die Welt war nicht in Ordnung. Der Engel, ganz gleich, welcher es sein mochte, der Wohltaten an Väter in den Revieren New Yorks verteilte, hatte Cowboy übergangen.
    Eine Hand streifte sein Jackett. Cowboy machte einen Satz. Eine Taschenlampe blitzte auf. Es war eine seiner »Krähen«.
    »Was machst denn du hier, Boss?«
    »Idiot«, sagte Cowboy. »Ich lüfte meine Taschen aus.« Dann nahm er ihm die Taschenlampe weg.
     
    Rupert sprang von Schneehügel zu Schneehügel. Er kam kaum vorwärts. Das Ende seines Oberschenkels konnte er nicht sehen. Bei jeder Bewegung sank er bis zu den Hüfttaschen ein. Er brauchte seine gesamte Kraft, um sich aus dem Schnee zu winden. Rupert war enttäuscht von den Gorillas aus der Mulberry Street. Sie konnten es nicht mit einem heranwachsenden Knaben aufnehmen. Ohne Täuschungsmanöver hatte er sie abgeschüttelt. Er hinterließ Spuren im Schnee, denen ein Elefant hätte folgen können.
    Nicht all seine Sätze waren erfolgreich. Rupert landete auf einem Schneerutsch, der ihm die Füße wegzog. Es riss ihn mit und als er zum Stehen kam, sah er über das Ladenschild von Melameds Kaufhaus in der Grand Street. Mit fünfzehn Stundenkilometern musste er mehr als dreieinhalb Meter über dem Boden geflogen sein. Niedriger konnte das Ladenschild nicht hängen.
    Seine Überraschung ließ nach. Rupert bekam Depressionen. Melamed erinnerte ihn an seine einstigen Kämpfe, daran, wie Esther und er vor einem Monat etwa der Gnade eines Ladendetektivs ausgeliefert gewesen waren. Sie hatten bei Melamed in der Unterwäscheabteilung eingekauft. Rupert hatte sich einen kleinen Kugelbauch gemacht, Shorts unter sein Hemd gesteckt. Esther war die Dreistere. Sie hatte sich einen ganzen Schwung Lollipop-Höschen in den Ausschnitt ihrer Bluse gepackt und lief mit einem Buckel rum. Ein kleingewachsener Rabbi mit

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