Das Isaac-Quartett
der Häftlingsabteilung, presste seine Zunge ans Guckloch und flüsterte mit dem Wächter auf der anderen Seite der Tür.
»Siehst du diesen Zettel, Freddy? Wirf ihn schnell in die Toilette. Es ist eine verschlüsselte Nachricht von der Lollipop-Bande.«
Der Pfleger lachte wiehernd in seine Faust. Der Schuldschein machte ihm keine Sorgen. Stanley würde mit einem Stückchen Haut, ein paar Tropfen Blut oder dem Schokoladenpudding in Bellevue zahlen.
Rupert saß in einer Telefonzelle an der Essex, Ecke Grand fest. Ein Schlägerquartett aus Little Italy, Kerle in langen Mänteln, die schon seit gut zwei Wochen auf der Lauer lagen, sich in Krämerläden, Kneipen und Meerrettichbuden rumtrieben, Zwiebelbrot und koschere Konserven aßen, standen auf einem Schneehaufen vor der Zelle. Sie rieben sich die Schultern, um sich warm zu halten. Alle vier trugen seltsame Stücke aus Amerigo Genussas Klempnerkollektion bei sich: Rohre, um Rupert die Ohren umzubiegen, eine Metallschlange, um ihm die Augen rauszuschrauben, Winden und Schraubenschlüssel, um mit seinen Nasenlöchern und seinen Lippen zu spielen. Rupert fluchte über solches Pech. Er musste in der Zelle hocken bleiben, bis sich die Schläger einen anderen Schneehügel ausgesucht hatten. Rupert hatte kein Hemd unter dem gestohlenen Bullenmantel an, seine Brustwarzen froren schon am Futter fest.
Er rief im Präsidium an, um Isaac zu belästigen, bis die Schläger verschwanden; eine Tonbandstimme flüsterte ihm heisere Dinge zu. Rupert verstand kein Wort. Er hatte Waffen in der Tasche: eine Gabel, einen Löffel, einen stumpfen Büchsenöffner. Sie waren scharf genug, um sich in die Haut eines Frauenhalses zu bohren. Mit dem Druck eines Suppenlöffels würde er Isaac enttochtern. »Mister, einmal in deinem Leben wirst du erfahren, was es bedeutet, der Verlierer zu sein.«
Rupert hatte nichts gegen Lady Marilyn. Es war nur eine Frage der Umstände, dass sie Isaacs Tochter war; sie konnte nichts dafür, es war eben ihr Pech, Isaac zum Vater zu haben. Dafür würde sie zahlen müssen. Rupert war kein gewöhnlicher Schlächter; Philips Sohn wäre nie fähig gewesen, eine Ente oder eine Kuh ausbluten zu lassen. Doch er musste Isaac etwas nehmen, das ihm wertvoller war als seine eigene Polizistenhaut. Rupert war nicht unbarmherzig. Er wollte Marilyn schneller ausbluten, als Isaac Philip und Mordecai und die gesamte East Side hatte ausbluten lassen.
Rupert war gewitzt und kannte alle Listen. Die leerstehenden Gebäude hatten ihn gelehrt, wie man sich auf der Flucht verhält. Ständig trug er etwas Essbares irgendwo an seinem Körper. Er raffte seinen Mantel und zog einen gelben Lollipop aus dem Ärmel. Esther war süchtig auf Lollipops gewesen und ihr Hang zu Süßigkeiten hatte ihn angesteckt. Er beobachtete die Gorillas auf dem Schneehaufen und produzierte gelbe Spucke. Der Lollipop setzte ihn außer Gefecht; gelbe Spucke musste Erinnerungen an Esther hervorrufen. Aus dem Bonbonriegel in seiner Wange sog er Fantasien über Esthers Busen. Er roch Esther Rose, fühlte den Flaum auf ihrem Rücken unter seinen Fingern. Er musste den Lutscher zerkauen, um nicht wirr im Kopf zu werden.
Er sprang aus der Zelle. Das Zittern der Tür musste sich bis in den Schneehaufen fortgesetzt haben. Die Gorillas wandten die Köpfe. Für einen wirksamen Hechtsprung waren sie viel zu durchgefroren. Sie fühlten sich ziemlich verarscht, als sie hinter einem hopsenden Mantel hertrotteten.
Mordecai Shapiro sah den Schneestürmen mit Gurkenschnitzen, Schnaps und einer Prise Salz entgegen. Hier fand sein Appetit seine Grenzen. Er grämte sich um seine Tochter Honey, die immer wieder von ihm fortlief. Würde sie sich in einem derart dicken Schneebrei eine Lungenentzündung holen, mit ihrem kurzen Röckchen und den durchsichtigen Strümpfen? Warum sollte er sich etwas vormachen? Seine Tochter war eine Hure. Bei jedem Wetter ging sie auf die Straße. Als echte Professionelle hatte sie sogar einen Manager, einen Zuhälter mit seidenem Taschentuch, wie Mordecai annahm, und einem Papier, das besagte, bei ihr hole man sich nichts Ansteckendes. Der Schnaps vermischte sich mit dem Salz auf seiner Zunge und die Gurke besänftigte seine Erbitterung, die Pein eines Vaters, der sich abgeschrieben fühlte.
Mordecai bekam Besuch. Nur ein Geistesgestörter kam auf die Idee, bei solchem Schneetreiben Besuche zu machen. Er öffnete einem Phantom in Ziegenlederschuhen die Tür. Philip Weils sonderlicher
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