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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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und ließ nur wenig Licht ein. Rupert hatte es mit unzähligen Augen zu tun. Er ging auf Zehenspitzen, um die Hennen zu beruhigen. Einem Hahn trichterte er Körner in den Schnabel und zerkratzte sich dabei die Hand. Er fühlte den Puls einer feuchten rosa Nase, die zu einem weißen Kaninchen gehörte. Er wünschte, Esther wäre da. Ihr hätte ein lebendiges Kaninchen unter der Decke gefallen, das ihre nackte Haut anschubste. Was das Karnickel wohl getan hätte, wenn Rupert und Esther sich unter der Decke zusammentaten? Rupert unterbrach sich. Kuscheldeckenträume waren schmerzlich. Sowie er Esther schmeckte, bildete sich Rauch in seinem Kopf, fiel ihm wieder ein, wie viel Isaac ihm gestohlen hatte. Rupert zog ein Karnickel mit trockenerer Nase vor.
     
    Brian Connell hätte das Revier nicht verlassen müssen. Niemand hätte ihm einen Vorwurf gemacht, wenn er bei diesem Schneesturm im Umkleideraum geschlafen hätte. Doch er musste sich reinwaschen. Er hatte die Tochter des großen Juden ausgezogen, ihr in einer Bar Whiskey eingeflößt, sie gefickt und sie wieder nach Haus zu Blue Eyes geschickt. Das Weibsstück hatte ihn verpetzt. Sie hatte »Vergewaltigung, Vergewaltigung« geschrien, und jetzt hatte der Mördertrupp des First Dep Brian Connell auf die Flinte genommen. Wie drückt man sich vor einem »Engel« mit Scharfschützen-Abzeichen? Brian blieb nur noch ein Ausweg; den kleinen Rupert zu schnappen, ehe Isaac zur Rache schritt.
    Er hatte Ruperts Jagdgründe durchpirscht, von der Clinton zum West Broadway, in Bowery-Kleidung, die schon langsam auseinander fiel. Heute trug er einige Accessoires; einen Seidenschal, den er sich übers Gesicht gezogen hatte, und Jagdstiefel von Abercrombie zum Schutz seiner zarten Knöchel vor Forstbeulen. Der Wind gab ihm Halluzinationen ein. Kaninchen überquerten die Grand Street. Das musste Teufelswerk oder eine Fata Morgana sein, die durch den speziellen Einfallswinkel des Schnees hervorgerufen wurde. In seiner Tasche trug er ein Medaillon bei sich. Er rieb das kalte Stück Metall, doch davon ließen sich die Kaninchen nicht verscheuchen. Im Wimpernzucken tauchten sie auf und verschwanden wieder. Brian war entsetzt. Er würde seinen Körper einer katholischen Privatklinik anvertrauen müssen oder den Staat verlassen. Sich nach Delaware davonmachen und gemeinsam mit seinen Cousins die Stinktierfarm betreiben.
    Die Kabbelei im Schnee ließ sich nicht länger ignorieren. Neben seinen Füßen scharrte ein Hahn. Das war kein verschrecktes Tier, das der Sturm mit sich gerissen hatte. Der Hahn hatte Kehllappen und einen roten Hut. Brian wollte den dummen Vogel verjagen; er flüchtete sich zwischen seine Abercrombie-Stiefel. Unfähig, es mit einem Huhn aufzunehmen, ließ er sich in den Schnee plumpsen. Er bemerkte einen Mann, der sich auf der anderen Straßenseite herumtrieb. Brian zog seine Waffe. Der Mann versuchte, die Kaninchen in eine Einkaufstasche zu stopfen. Brian rief ihn an. »Bleib, wo du bist, Süßer.«
    Der Mann holte mit der Einkaufstasche aus; ein Kaninchen flog durch die Luft. Brian feuerte über die Ohren des Mannes, um klarzustellen, dass man einen städtischen Angestellten nicht mit Einkaufstaschen bewerfen kann. Ein Hügel brach unter dem Dieb zusammen. »Komm raus und halt deine Hände zum Himmel.«
    Er hörte einen lauten Klatsch. Sein eigener Schneehügel löste sich unter seinen Stiefeln auf. Der Dieb hatte eine Waffe in der Hand. Brian presste sich gegen den Reifen eines abgestellten Lastwagens. Er schielte um die Reifen herum, weil er auf den Kaninchendieb schießen wollte. Ein dumpfer, zitternder Knall ging durch den Schnee. Der Typ musste eine Kanone auf ihn richten. Oder eine polizeiliche Dienstwaffe. Anders kamen solche Löcher nicht zustande. Der Mann wedelte mit einem gelben Gegenstand. Brian fuhr zusammen, als er ihre Zacken als die eines goldenen Polizeiabzeichens erkannte. »Idiot«, sagte der Mann und tauchte aus dem Schnee auf. »Ich bin von der zweiten Abteilung. Wer zum Teufel sind Sie?«
    Brian war zu fertig, um hochnäsig zu sein. Seine Augen würden vor Papierbergen tränen. In dreifacher Ausführung würde Brian Formulare ausfüllen, bis ihm die Finger abfielen; er würde Erklärungen über Erklärungen für seinen Drang abgeben müssen, einem Kriminalbeamten die Haut von den Ohren abzuknallen. Sein Rausschmiss war gewiss. Isaac hatte mehr Autorität als jeder andere auf Erden, Brian zu entführen, ihn an die Ratten zu verfüttern, Bullen,

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