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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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erwartet. Sie hatten ihn entdeckt, als er stehen geblieben war, um den alten Mann auszugraben. Sie schlugen mit ihren Rohren auf seine Arme ein, drohten seinen Augen mit dem Klempnerschraubenzieher. »Halt still, du kleine Ratte, sonst zerteilen wir dich in zwanzig kleine Häppchen. Du hast eine Verabredung mit Amerigo Genussa.«
    Rupert wand sich im Schnee; er kam nicht an seinen Dosenöffner, die Gabel oder den Löffel ran. Der Bohrer ritzte seine Augenbraue. Er nieste Blut. Die Brooklynflüchtlinge kamen hinzu, die Pullover-Jungen, die Brüder, die in Ohrenschützer und Kindermützen eingewickelt waren. Ließ sich Rupert von dem Schnee täuschen oder war es das Blut? Wie konnte es sein, dass vier Gorillas keinen Boden mehr unter den Füßen hatten? Nur ein Bruder schlug sich mit ihnen herum. Am Kopf dieses Flüchtlings prallten Röhren ab. Er konnte wirbelnde Metallgegenstände mit den Fingern zerreißen, zwei Gorillas mit einem einzigen Arm an seine Brust drücken. Einem Mann die Farbe aus dem Gesicht quetschen. Rupert hörte Knochen unter den langen Mänteln zersplittern. Die Gorillas hatten Gummiknie. Sie zuckten und stöhnten neben dem zweiten Bruder, der sagte: »Es reicht, Jorge.«
    Mit Spucke auf einer Papierserviette nahm er sich Ruperts Auge an. »Ich bin César Guzmann. Manche Leute nennen mich Zorro. Das ist mein Bruder Jorge. Nicht blinzeln. Sonst hast du Schnee im Auge.«
    »Warum verfolgt ihr mich?«, fragte Rupert bärbeißig.
    Zorro stocherte im Blut herum. »Sei höflich. Mir persönlich ist das gleich. Aber mein Bruder ist schnell beleidigt. Eine gute Fee hat uns geschickt, damit wir auf dich aufpassen.«
    »Ich kämpfe mit meinen eigenen Ellbogen, Mr. Zorro, vielen Dank. Ich bin Rupert Weil.«
    »Das wissen wir«, sagte Zorro und legte die Serviette weg. »Wir haben dein Mädchen begraben. Mein Vater hat zwei Kantore für ihre Beerdigung bestellt. Sie haben die besten spanischen und portugiesischen Lieder gesungen, die es gibt.«
    Rupert blickte prüfend mit seinem blutigen Auge auf. »Was hattet ihr mit Esther am Hut?«
    »Eine Ladina ohne anständiges Grab. Sonst nichts. Wir hatten einen gemeinsamen Freund. Den großen Isaac. Er sollte jetzt in der Erde liegen, nicht dein Mädchen.«
    Die Gorillas stahlen sich davon, in zerbeulten Mänteln.
    »Schau«, sagte Zorro, »es zahlt sich aus, dich gesund zu erhalten. Könntest du Isaac noch foltern, wenn sie dir die Ellbogen ausgerissen hätten?«
    Die Guzmanns waren außerordentlich höflich. Zorro hätte sich nicht vorgestellt, ohne Gastgeschenke von seiner Familie zu überbringen; er steckte eine Hand in den Ausschnitt seines untersten Pullovers. Seine Finger bewegten sich wie gigantische Pickel unter der Wolle und er zog einen Eisdorn und eine winzige Pistole in einem dreckigen Baumwolllappen raus. »Mein Vater möchte, dass du die Wahl hast. Du kannst Isaac kleinhacken oder ihm die Zunge wegblasen. Wegen der Pistola brauchst du dich nicht zu sorgen. Der Besitzer kann nicht ausfindig gemacht werden. Sie beißt ganz schön für eine.22er. Lass sie Isaac vor die Füße fallen und lauf weg.«
    Rupert tat die Gaben achselzuckend ab. »Ich habe meine eigenen Werkzeuge, Mr. Zorro.« Hatten die Guzmanns den Verstand verloren? Er konnte es nicht lassen, die Zugereisten anzustarren, die eingeschnürt wie rundliche Schneegötter durch den Sturm gelaufen waren, um ihn vor einer Schlägerbande zu erretten. »Sind Sie aus Brooklyn, Mr. Zorro?«
    »Niemals«, sagte Zorro und reckte grimmig sein Kinn vor. »Wir kommen aus Peru. Denk dran, dass es einen Ort gibt, an dem du dich verstecken kannst. Mein Vater kann dich nach Mexiko City schleusen, nach Bogotá, nach Lima oder in die zehn Little Havanas der East Bronx. Fahr einfach zur Boston Road und frag nach mir.«
    Er gab Jorge ein Zeichen. Die Brüder rückten ihre Ohrenschützer zurecht und schlurften durch den Schnee davon.
     
    Coen hatte Federn aus Isaacs breiigem Kissen im Mund. Marilyn wollte ihn nicht aufstehen lassen. Er war jetzt ungezügelt, ohne Halfter und Socken. Der Schneesturm hatte ihnen das Leben vereinfacht; seit sechsunddreißig Stunden keine Unterbrechungen durch Isaac. Mit Blue Eyes in der Wohnung konnten knarrende Feuerleitern sie nicht ängstigen. Sie schleckte ihn, bis er das nervöse Zittern eines Bullen ablegte. Sie war kein verträumtes kleines Mädchen. Sie hatte Verständnis für Coens Verpflichtungen, für seine Loyalität gegenüber ihrem Vater, für seine düstere Art. Vor

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