Das Isaac-Quartett

geholt. Er war rot angeschmiert. Kommt dir das nicht bekannt vor?«
    Brodsky versuchte, den Schauer aus seinem Genick zu verjagen. Isaac hatte ihn erschreckt. Mit Knurrlauten kam Brodsky zurecht, doch ganze Sätze hatte er von dem Grizzlybären nicht erwartet.
    »Der Lippenstift-Freak kann es nicht gewesen sein, Isaac. Hat Cowboy ihn nicht aus dem Verkehr gezogen? Der Kerl sitzt im Zuchthaus. Ein puerto-ricanischer Schneider.«
    »Ein Kubaner« sagte der Chef. »Und außerdem hat er nie geschneidert. Puppen hat er gemacht.«
    Der Bär verstummte wieder. Brodsky lenkte den Chrysler mit einem Daumen. Er spürte einen Luftzug hinter seinen Ohren.
    »Nimmst du Cowboys Wort dafür, dass der Wahnsinnige noch im Gefängnis sitzt?«
    Der Chief of Detectives von New York City und der Vorsitzende der Hands of Esau (einer Bruderschaft jüdischer Bullen), »Cowboy« Barney Rosenblatt, war Isaacs größter Rivale im Präsidium. Cowboy hätte einen gewöhnlichen Polizeiinspektor zu Brei zerquetscht, doch Isaac arbeitete für den mächtigsten Bullen Nordamerikas, den First Deputy Commissioner Ned O’Roarke. Der First Dep hatte einen Tumor im Kehlkopf sitzen. Er hätte schon nicht mehr am Leben sein dürfen. Auf die Verheerungen einer Krankheit konnte sich Cowboy nicht verlassen. Solange Commissioner Ned auf dem Stuhl des First Deputy saß, musste der Chief of Detectives vor Isaac dem Tapferen knicksen.
    »Warum sollte Cowboy uns belügen, Isaac?«
    »Weil er ein Saftsack ist.«
    Der Chauffeur war vor den Kopf gestoßen. Wer konnte die Logik eines Bären hinterfragen? »Ein Saftsack«, murmelte er. »Ganz entschieden.« Und er fuhr die Privatrampe des First Dep hinauf.
    Isaac musste sich an einer Armee von Büroangestellten vorbeidrängen. Das Präsidium räumte die Centre Street. Die Stadt hatte der Polizei eine große rote Ziegelfestung neben dem Rathaus gebaut. Die Bullen würden ihre eigene Plaza bekommen und ein Gebäude, das für Diebe, Revoluzzer und bröckelnden Stein uneinnehmbar war. Ebenso sehr wie ihn die Guzmanns schlauchten, ließ sich Isaac durch den Umzug niederdrücken. Er wollte keine vollklimatisierten Büroräume und eine Datenbank, aus der man die Größe der muffigen blauen Socken eines Verbrechers abrufen konnte. Papa Guzmann war durch kein Datensystem in die Falle zu locken, und kein Datensystem konnte erklären, warum Jerónimo im Juni, Juli und August Ohrenschützer trug.
    Isaac ließ einen seiner »Engel« im Zuchthaus anrufen. Dieser Engel erstattete dem Chef Bericht. »Isaac, sie haben die Aufzeichnungen über Ernesto, den Lippenstift-Freak, verloren. Sie wissen nicht, wo er ist.«
    »Dann sollen sie wühlen. Wenn sie den Kubaner nicht innerhalb von fünf Stunden ausfindig machen, heize ich dem Direktor ein. Gib das so weiter.«
    Es war nicht der erste Gefängnisinsasse, der aus dem städtischen Zuchthaus verschwunden war. In ein paar Tagen würde ein Zuchthausbeamter den Beweis erbringen, dass der Lippenstift-Freak von einem Krokodil gefressen worden war. Zeichnungen von Ernesto im Maul des Krokodils und eine Tasche, die man aus der zerbissenen Hose des Wahnsinnigen geschnitten hatte, würden vorgelegt werden. Isaac suchte Commissioner Ned auf.
    Vier Sergeanten patrouillierten im Vorzimmer des First Dep. Isaac hatte sie dort aufgestellt. Sie wimmelten Gerichtsreporter, neugierige Büroangestellte und Polizeiwachtmeister ab, die glaubten, ihr Los durch Kniebeugen vor einem sterbenden irischen Commissioner verbessern zu können.
    Der First Dep saß mit einer Decke über den Knien in der Ecke. Seine grünen Augen waren mit stumpfen gelben Stellen durchsetzt. Kobaltbehandlungen hatten seine Stimmbänder zerfressen und ihm nur noch ein heiseres Flüstern gelassen. Seine gelblichen Augen besagten wenig. O’Roarkes Geist schweifte nicht ab, ganz gleich, wie viel von ihm auch zerfressen war. Von seinem kleinen Stuhl aus leitete er das Präsidium und überwachte den langsamen Exodus aus der Centre Street.
    Seine Augenbrauen zogen sich bei Isaacs Eintreten nicht zusammen. Seine Handgelenke schlichen sich unter die Decke. »Wo ist Patrick Silver?«
    Patrick Silver war einst Ned O’Roarkes Liebling gewesen. Sie waren Männer aus Limerick, Anbeter des Shannon River. Patricks jüdischer Einschlag störte Commissioner Ned nicht. Irische Juden hatten ganze Klumpen katholisches Gewebe unter der Vorhaut. Nur hatte Silver seinem Verstand mit Guinness und Irish Coffee zugesetzt. Er hatte auf zu viele kleine Fische