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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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noch im Arm, als Jorge schniefte und Isidoro sich nach Jerónimo erkundigte. »Das Baby ist in guten Händen. Papa hat ihm einen Leibwächter engagiert, einen irischen Gorilla.« Zorro roch Isaac auf Isidoros Schlafanzug. Er beendete die Umarmung.
    »Isidoro, du hättest dich nicht mit Isaac dem Scheißer einlassen dürfen. Warum hast du nicht bei einem anderen Bullen gesungen …?«
    Jorge klatschte seine Ellbogen unter dem Mund des fliegenden Händlers zusammen. Isidoro wand sich nicht an Jorges Brust. Seine Augäpfel waren nicht blutunterlaufen. Die Adern auf seinen Schläfen traten nicht langsam als schreckliche blaue Würmer hervor. Die Knochen hinter seinen Ohren knacksten einmal, und der fliegende Händler war tot.
    Am späten Nachmittag würde ein Lastwagen eintreffen. Die Guzmanns waren keine Frevler. Für Papas Cousin waren Vorkehrungen getroffen worden. Er würde nicht in der Erde von Jersey ruhen müssen. Der Wagen würde ihn auf den Friedhof der Guzmanns in Bronxville transportieren, und dort würde sich eine bestellte Trauergesellschaft um Isidoros willen die Kleider zerreißen und um ihn klagen, bis sich der Himmel schwarz färbte.
    Die Brüder verließen das Haus durch das Loch im Drahtgeflecht, stiegen über die rostige Gondel und traten aus der Höhle der Zigeunerin. Sie schlossen sich in einer Toilette am Steeplechase Pier ein. Zorro leerte seinen Koffer aus. Äpfel, zwei bunte Halstücher, Röcke, eine Bluse, hochhackige Schuhe. Jorge verließ den Pier mit den beiden bunten Halstüchern auf dem Kopf und Äpfeln in seiner Bluse. So würde Zorro sie klammheimlich zum Süßwarenladen seines Vaters zurückbringen. Isaac der Scheißer hatte auf der ganzen Boston Road Bullen aufgestellt. Nur Nigger, Kinder und Mädchen mit bunten Kopftüchern waren sicher.
    Jorge machten die Schals, Blusen und Röcke übellaunig. Er ließ die Äpfel auf seine Taille kullern. Dann stelzte er über die Strandpromenade. Zorro kam nicht zur Arkansas Avenue, ohne seinem Bruder noch mehr Gummibären zu kaufen.
2
    »Die dunklen Flaschen, Sammy, wenn’s recht ist. Im üblichen Krug. Ich hab mal wieder einen Durst, der jedes Nilpferd fertigmachen könnte.«
    Patrick Silver trank sein Guinness warm. In winzigen Flaschen, die zeremoniell hinter der Theke gestapelt wurden, kam es aus Dublin. Die Kings of Munster konnten ihren besten Kunden nicht versetzen. Als irischer Bar in der Horatio Street ging ihnen das Guinness nie aus.
    Silver brauchte seine zwanzig Schlückchen. Erschöpft von seiner Drangsal in der Synagoge, stolperte er in die Kings of Munster. Nach dem Abendgebet stellte der Barkeeper zwei Krüge für ihn bereit. Es war Patricks Los, ein Minjen (ein Quorum von zehn aufrechten Juden) für seine Schul zusammenzutrommeln. Seine Technik, Juden einzufangen, war eigentümlich. Er hockte sich auf die Stufen der Synagoge und zirpte die Passanten an, ob Kleinkind, Mann oder Junge. »Sind Sie Jude, Sir?« Wenn man auch nur einen Moment zögerte, war man verloren. Patrick schlug von der Treppe aus zu, packte einen Arm und zerrte den Betreffenden hinein. Er konnte zwei Männer oder drei Jungen auf einmal tragen. Jerónimo erleichterte ihm diese Aufgabe. Er hängte dem Baby einen Gebetsschal über den Kopf und zählte es zum Minjen, Jerónimos Maulen kam nicht gegen das Dröhnen des Minjens an. Wenn ihm nur ein Jude abging, hatte Patrick sein Gebetbuch. Er wickelte es in die Fransen seines Schals, sprach einen Segen, und das Gebetbuch wurde zu Patricks zehntem Mann.
    Doch die Inanspruchnahme durch so viele Minjens tat ihre Wirkung auf Patrick, der sich um die Synagoge und das Baby kümmern musste. Daher saß er in den Kings of Munster auf dem Hocker, der ihm am liebsten war, weit ab vom Fenster und der Hundescheiße auf der Horatio Street, die sich im Juli so schnell ausbreitete; für einen Iren war es gefährlich, vor die Tür zu gehen. »Gottes Segen«, sagte er zu dem Barkeeper Sam, ehe er aus dem Krug trank.
    Silver ging liebevoll mit seinen Flaschen um. Ihm wuchs kein Guinness-Schnurrbart, ehe die sechste Flasche eingeschenkt war. Die Kings of Munster waren keine Bar für Säufer. Patrick nippte an seinem Bier, steckte seine Zunge in den bitteren Schaum. Er verabscheute amerikanisches Bier, dieses pissblonde Abwaschwasser. Silver war ein Guinness-Kind, mit einer schwarzen Flasche im Mund geboren. Sein Vater, der in Limerick Bleistifte herstellte, bis ein verrückter Priester alle Juden davonjagte, hatte ihn in die Kings of

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