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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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verschlingen. Isaac konnte nicht lachen, er konnte nicht ohne Rizinusöl scheißen, und er konnte keine Frau umarmen, ehe die Guzmanns vor ihm kapitulierten.
    Das Zuchthaus schickte einen Captain, der Glückwünsche vom Büro des Generalinspektors überbrachte. Er hieß Brummel. An seiner Brust steckte eine kleinkalibrige Waffe.
    »Was ist mit Ernesto Parra passiert – dem Lippenstift-Freak?«
    Captain Brummel legte einen gigantischen Ordner auf den Tisch. Er ging die Seiten mit angefeuchtetem Finger durch und zog einen Stapel Papier heraus, der so dick wie ein Brotlaib war.
    »Brummel, ich habe Sie nicht um Unterlagen über den Zeitraum seit Bestehen des Gefängnisses gebeten. Wo steckt der Freak?«
    »Er hat sich vor vier Monaten aufgehängt«, sagte Captain Brummel und spielte mit den Klammern seines Hefters herum.
    »Und so was versteckt ihr in einem Meter Papier?«
    »Das war eine kleine Nachlässigkeit, Isaac, sonst nichts. Ein Büroangestellter hat die Akte verlegt.«
    »Klar. Brummel, grüßen Sie den Generalinspektor von mir und machen Sie, dass Sie hier rauskommen.«
    Isaac war nicht ungehalten. Ernestos Tod stützte seine Anklage gegen Jerónimo. Sollte doch das gesamte Präsidium schreien: Isaac, du schikanierst das Baby! Das Präsidium irrte sich. Isaac wusste einfach, dass Jerónimo der Freak war. Er spürte es in den Knochen. Kleine Jungen starben jeweils dort auf Dächern, wo Papas Baby sich gerade aufhielt. Der arme Ernesto war Cowboy Rosenblatts Gier zum Opfer gefallen, ungelöste Kriminalfälle zum Abschluss zu bringen. Der Puppenmacher konnte kaum ein Wort Englisch. Ein Team von der Mordkommission hatte ihn durch ständiges Nicken und Zwinkern zu einem Geständnis ermuntert. Cowboy zeigte in allen lokalen Fernsehstationen die verschrammten Schnitzmesser eines Puppenmachers vor. Das sind die Mordwaffen, sagte Cowboy. Er führte vor, wie man mit einem Schnitzmesser einen kleinen Jungen in Stücke schneiden kann. Isaac war zu der Zeit in der Boston Road und arbeitete für die Guzmanns; er konnte sich nicht zwischen Cowboy und den Puppenmacher zwängen. Ernesto war im Zuchthaus gestorben. Der Amtierende First Dep riss sich von seinen Bewunderern los. Er verließ das Präsidium ohne ein Geleit, das ihm auf dem Fuß folgte. Zwei verbeulte Chevrolets erwarteten ihn hinter der Cortlandt Alley. Es waren keine gewöhnlichen Limousinen aus einer Polizeigarage. Sie gehörten zum privaten Fuhrpark des First Dep. Diese Wagen fuhren durch die Stadt und behielten das ganze Jahr über ihr hässliches Grün. Sie waren sommers wie winters nie in der Garage.
    Isaac fuhr in die Bronx. Er nahm seinen Chauffeur nicht mit. Brodsky war ihm eine Art langjährige Ehefrau geworden. Seine Gegenwart erinnerte Isaac an seine Zeiten als Geißel Manhattans. Die Guzmanns hatten Isaacs Gedächtnis abgeschlachtet. Er konnte nur noch von Süßwarenläden und weißer Schokolade und von Jerónimos Lockenkopf träumen.
    Ein junger Detective-Lieutenant mit blondem Schnurrbart saß vorn im Chevrolet. Er besaß einen gnadenlosen Blick für Einzelheiten, dieser Lieutenant Scanlan. Er konnte sich an die Routen erinnern, die Jorge Guzmann einschlug, wenn er die Boston Road überquerte, oder daran, was Alejandro am letzten Freitag getragen hatte; die Farbe eines Eiscremesodas konnte er auf dreißig Meter erkennen. Er kutschierte Isaac heute.
    »Scanlan, kurbel dein Fenster hoch. Ich will nicht, dass die Leute neugierig werden.«
    Der Chevrolet war dreckig genug, um Isaacs Gesicht zu verbergen. Bei geschlossenen Fenstern wurde die Luft schlecht. Das Klima im Wageninnern ließ Scanlans Augen tränen. Der Chevrolet heizte sich auf fünfzig Grad auf. In einem blendend heißen Sturm gefangen, fuhr Scanlan einfach nach Intuition. »Muttergottes«, sagte er zu sich selbst. Isaac störte sich nicht an einem kochendheißen Wagen. Für Dampfbäder hatte er schon immer etwas übrig gehabt.
    Die beiden Chevrolets kamen in der Boston Road an. Sie taten sich nicht mit dem Rest von Isaacs Flotte zusammen. Der First Dep zog seine anderen Limousinen von der Straße ab. Er wollte Scanlan nicht in die Nähe des Süßwarenladens fahren lassen. Die Chevrolets hielten sich außer Sichtweite. Isaac schlummerte mit Falten in der Stirn. Er wusste, dass Jorge aus dem Süßwarenladen kommen musste. Die Boston Road war einst ganz und gar Papas Herrschaftsbereich gewesen. Jetzt war sein Territorium auf die Ausmaße eines Süßwarenladens geschrumpft. Er musste Jorge

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