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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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Zorros Killer auf Manfred Coen angesetzt. Isaac war der Killer.
     
    Der Fuchs malte sein Gesicht an, als er aus dem neunten Taxi geschlüpft war. Sein gesamtes Braun war aufgebraucht. Seine Backen waren wachskreideblau. Doch Zorro hätte sich nicht für Isaacs Flotte anzumalen brauchen. Niemand war auf der Boston Road. Der Fuchs taumelte in den Süßwarenladen; sein Herz knurrte angesichts des Omens menschenleerer Straßen.
    Vorne im Laden war niemand. Ein Bulle oder sonst ein Dieb hätte sich mit Papas Malzmilchmaschinen davonmachen können. Bälger hätten ihre Finger in Papas Sirup stecken oder Halvariegel stehlen können. Der Fuchs stöhnte auf. Als er in den Schlafsaal seines Vaters trat, tropfte der Wachskreidenschweiß blau von seinen Ohren. Alejandro und Topal versteckten sich unter einem Gewirr aus Handtüchern wie Buckel eines Berges in ihren Schlafkojen. Papa lehnte an der Wand. Zorro sah kein Blinzeln und hörte kein Gemurmel. Jorge lag mit blutigen Kissen über seinen Beinen auf Papas Linoleumfußboden. Marranische Medizinmänner waren bei ihm, Männer aus Uruguay, denen Amuletts, Knoblauchzwiebeln und die Fäuste toter Affen vom Hals hingen.
    »Papa, war es Isaac, oder war es das FBI?«
    Papa blieb an der Wand stehen; das Zucken seines Rückens ließ erkennen, dass er weinte, obwohl Papa keinen Laut von sich gab. Zorro fragte die Medizinmänner gar nicht erst. Er ging auf das Bett seiner Brüder zu und fand Alejandro unter einem Laken.
    »Was ist passiert, Bruder?«
    Zorro hatte sich Alejandros wirres Gerede achtunddreißig Jahre lang angehört (im kommenden Oktober würde der Fuchs neununddreißig werden). Er versagte auch jetzt nicht. Er klaubte sich Wortfetzen aus Alejandros Blubbern zusammen. Teufel Isaac. Stoßstangen. Grüne Autos. Der Fuchs sank neben Jorge nieder und schaute unter die blutigen Kissen. »Jesus und Moses«, sagte er. Er jagte die Medizinmänner aus dem Süßwarenladen.
    Zorro, Topal, Alejandro, Jorge und Jerónimo waren hermanos de padre, Jungen ohne Mutter. Papa hatte keine Verwendung für eine ständige Ehefrau. In Lima war er ein wandernder Zuhälter und Taschendieb gewesen. Seine Jungen stammten aus fünf verschiedenen Gebärmüttern. Diese »Tanten«, Mestizinnen und Straßenhuren, zogen ein Kind sechs Monate lang auf und gingen dann. Zorro war der Jüngste. Seine »Tante« musste mehr Verstand gehabt haben als die anderen. Ganz gleich, wer sie war: Er hatte eine gewisse Neugier sowie die Fähigkeit, in zusammenhängenden Sätzen zu sprechen, von ihr geerbt. Er war das unter den Kindern, welches im Süßwarenladen keine Ruhe fand. Selbst in einer abgeflachten Welt musste der Fuchs über die Begrenzung der Boston Road hinauskriechen. Und er wusste, dass Knoblauch an einer Schnur seinen Bruder nicht heilen konnte. Jorge würde sterben, wenn er nicht verbunden wurde und Blut bekam.
    Doch Zorro musste seinen Vater aus der Regungslosigkeit aufrütteln und Topal und Alejandro aus dem Bett holen. Der Fuchs zögerte nicht. Er war kein Mensch, der gern über Probleme nachgrübelte und sich dabei an den Eiern kratzte. Er riss die Handtücher von seinen Brüdern. »Topal, schnapp dir drei Kissenbezüge. Pack unser Winterzeug ein. Wir kommen nicht zurück. Alejandro, geh zur Taxigesellschaft am Southern Boulevard. Klopf ans Fenster, aber lass dich nicht von den Hombres durch die Tür ziehen. Sie stehlen dir die Schuhe. Hast du verstanden? Klopf ans Fenster und ballt eine Faust. Dann wissen sie, dass wir eine Limousine wollen. Und kauf dir keinen Obstkuchen, Bruder. Sonst sind wir tot, ehe du heimkommst.«
    Die Guzmanns hatten früher einen Chauffeur namens Boris gehabt, doch Isaac hatte ihn von der Straße gescheucht. Jetzt mussten sie sich bei den meisten ihrer Unternehmungen einem puerto-ricanischen Taxiunternehmen anvertrauen. Der Fuchs und seine Brüder waren Stadtmenschen; keiner von ihnen hätte das Lenken eines Wagens bewerkstelligen können.
    Zorro patschte seinem Vater aufs Ohr. »Papa, wenn du nicht mithilfst, Jorge von hier wegzubringen, macht Isaac ihn und den Rest von uns fertig. Wir können nicht bleiben, Papa. Isaac hat den Laden kleingekriegt.«
    Die Finger bohrten sich tiefer in Papas Ohr.
    »Wach auf, Papa. Jorge stirbt uns unter den Händen weg.«
    Papa löste sich von der Wand. In einem Kraftakt zog er alle Betten ab und stückelte Handtücher und Bettdecken mit unglaublichen christlich-jüdischen Knoten zusammen, um eine Tragbahre für Jorge zu bauen. Es war ein Akt

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