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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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Blutbank.«
    »Calvarados, wenn ich ins Bronx-Libanon wollte, käme ich dann in dieses Loch an der Stebbins Avenue? Krankenhäuser stehen sich gut mit der Polizei, und es war die Polizei, die meinen Bruder so zugerichtet hat. Habe ich etwa draußen keine Familie? Wir geben Ihnen alles Blut, das Sie brauchen.«
    »Das ist ausgeschlossen«, sagte der Arzt. »Ich kann nicht einen Teil des Heims absperren, um euch Guzmanns aufzunehmen. Die Kinder würden Verdacht schöpfen.«
    »Calvarados, Sie hören mir nicht zu. Sie sind der einzige Arzt, dem wir vertrauen können. Die Sache ist ganz einfach. Mein Bruder ist auf Sie angewiesen. Sie können uns also nicht enttäuschen. Wenn wir um einen Toten trauern, sind wir schrecklich. In unserem Kummer beißen wir Köpfe ab. Wir legen Brände. Wir würden keiner Waise etwas tun, ich nicht und mein Vater auch nicht. Aber was Ihr Personal angeht, bin ich mir nicht so sicher. Alejandro zankt gern mit alten Damen. Topal lutscht kräftig an Fingern. Gott sei Dank, dass Jerónimo nicht hier ist. Er hat es mit Augäpfeln und Zähnen.«
    Calvarados gab sich geschlagen.
    »Verstecken Sie uns für drei Tage«, sagte Zorro. »Dann sind Sie die Guzmanns los, Doktor. Ich schwöre bei Jorges Leben, dass ich einen Ort weiß, wohin wir gehen können.«
     
    Patrick Silver war mit Jerónimo, Rabbi Hughie und den Kirchenältesten der Synagoge im Sanktuarium; sie sagten ein Kaddisch für First Deputy O’Roarke. Patrick war zu Neds Totenwache gegangen und hatte Jerónimo mitgenommen, aber die irischen Leichenbestatter ließen Patrick keinen Ablass für Ned kaufen und wollten ihn auch nicht vor dem Sarg niederknien lassen. Patricks frühere Brüder, die Kriminalbeamten von der Shillelagh Society, ignorierten ihn bei der Totenwache und schlichen sich in die nächste irische Bar davon, ohne ihn zum Mitkommen aufzufordern. Daher nahm Patrick sein dunkles Bier in die Schul mit und sang das Kaddisch der Trauernden, während Jerónimo verdrossen unter seinem Gebetsschal hockte. Das Baby war seit Mitte der Woche schweigsam. Es maunzte nicht mehr. Es wollte keine hellen oder dunklen Karamellen mehr essen. Patrick hätte Jerónimo zum Süßwarenladen gebracht, damit er seine Brüder sehen konnte, wenn Papa Jerónimo nicht verboten hätte, in die Boston Road zu kommen. Gegen Ende des Kaddisch fing das Baby an zu wimmern. Es wollte den Mund nicht halten. Der Gebetsschal peitschte gegen seinen Kopf. Rief er Patrick ans Fenster? Silver lugte durch eine Spalte im Glas. »Gott steh mir bei«, murmelte er, als er einen klapprigen Krankenwagen vor der Schul stehen sah.
    Silver zwängte sich aus seinem Gebetsstuhl. »Verzeihung, bitte.« Er küsste die Troddeln seines Schals und ging die Treppe hinunter. Der Krankenwagen musste von einem Waisenhaus der Bronx gekommen sein. Die Worte STEBB NS A V NUE ORPHAN waren auf die Seitenleiste gemalt. Der Wagen fuhr fort, und fünf Guzmanns und ein tragbares Krankenhausbett blieben auf den Stufen der Gemeinde Limerick zurück. Jorge lag unter den Betttüchern, mit bläulichweißem Gesicht. Als er Patrick Silver anlächelte, war die Haut auf seinen Wangen so dünn wie Seidenpapier. Er hatte geronnenes Blut im Mund. Sein Haar war dicht an den Schädel geklatscht.
    »Willst du uns noch lange anstarren, Ire?«, sagte Zorro. »Jorge hat einen Unfall gehabt. Er ist Isaac in die Arme gelaufen. Kriegst du mit, was los ist? Kann deine Kirche noch ein paar mehr Gäste außer Jerónimo aufnehmen? In den Hotels mag man uns nämlich nicht, Ire.«
    Patrick hatte noch nie einen geraden Satz von Zorro gehört. Der Fuchs sprach und handelte im Zickzack. »Kommt um Himmels willen rein. Ihr könnt das Winterzimmer haben.«
    Zorro und seine Brüder trugen das Krankenhausbett die huppeligen Stufen vor der Synagoge hinauf. Patrick unterließ es, dem Fuchs zu erzählen, dass das Winterzimmer das inoffizielle Armenhaus der Gemeinde Limerick war, ein Ort, an dem Bettler eine Mahlzeit und ein Kissen bekommen konnten. Es war erst der fünfzehnte August, und Bettler waren keine da (sie zogen es vor, bis Dezember in Hauseingängen zu schlafen).
    Papa trat als Letzter in die Schul. Der Verlust seiner Territorien drückte ihm jetzt auf die Stellen hinter den Ohren. Er hatte sich in Amerika gesuhlt. Die Synagoge machte ihm Angst. Papa war noch nie in einer Schul gewesen. Fünfhundert Jahre lang hatten die Guzmanns von Portugal, Spanien, Holland, Lima und der Bronx das Haus Gottes gemieden und ihr geheimes

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