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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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der Verzweiflung und der Liebe. Die Marranen hatten ihr Leben damit verbracht, zu packen und auszupacken und von einem Zuhause zum nächsten zu laufen. Papa hatte sich so an seinen Kindern versündigt, als er in der Bronx etwas Bleibendes gesucht hatte. Amerika hatte ihn dusselig gemacht, ihm eingegeben, Baron mit Landbesitz zu werden. Vielleicht täuschte er sich in Isaac. Angenommen, dieses Bullenschwein war von Adonai, dem Herrn, gesandt worden, um Marranen zu strafen, die sich in Amerika fett fraßen. Ganz gleich. Papa konnte sein Inventar und seine Malzmaschinen zurücklassen.
    Drei Guzmanns waren nötig, um Jorge auf Papas Bahre aus Handtüchern, Decken und Lappen zu heben. Mit weichen Knien trugen sie ihn aus dem Süßwarenladen. Papa machte sich nicht die Mühe, den Laden abzuschließen; die Geier würden kommen, sobald die Guzmanns verschwunden waren. Großväter, schwangere Frauen und kleine Jungen würden wie ein Volk von Riesenameisen durch das Fenster kriechen und den Süßwarenladen plündern, Betten, Wände und das Holz herausreißen; innerhalb einer halben Stunde würde der Laden seine Geschichte verlieren. Penner würden mit Zeitungen auf den Köpfen in dem verwüsteten Schlafsaal schlafen. Ratten würden aus den Höhlen kommen und nach Halvakrümeln schnuppern. Die Ladenbesitzer der Boston Road würden achselzuckend sagen: »Die Guzmanns, diese Zuhälter, die sind mit ihren Millionen nach Buenos Aires abgehauen.«
    Der Wagen wartete schon. Alejandro saß neben dem Fahrer und schleckte Obstkuchen mit Sahne. Zorro nahm Alejandro die Schlagsahne auf der Zunge nicht übel. Wie hätte er einen Bruder zurechtweisen können, dessen Gedächtnis nie weiter als fünfzehn Minuten reichte? Die Guzmanns packten Jorge auf den Rücksitz. Dann knurrte Zorro Miguel, den Fahrer, an: »Hombre, mein Bruder hatte einen Gürtel, eine Armbanduhr und Manschettenknöpfe, als er zu dir gekommen ist. Du hättest ihn nicht ausziehen sollen, ohne um Erlaubnis zu fragen.«
    Miguel lächelte. »Zorro, du musst deine Armee irgendwo zurückgelassen haben, denn ich sehe nichts weiter als Blut und einen Berg Scheiße.«
    Der Fuchs packte Miguel am Kragen. »Hombre, für dein Begräbnis brauche ich keine Armee.«
    Miguel öffnete das Handschuhfach und fischte nach Alejandros Sachen. »Ich wollte mir doch nur einen Spaß mit dem Jungen machen, Zorro. Du glaubst doch nicht, dass ich einen Guzmann bestehlen würde? Soll die heilige Muttergottes meine Nase abbrechen lassen, wenn ich lüge. Wohin soll ich dich bringen, Zorro?«
    »Zum Waisenhaus.«
    »Por Dios, willst du die ganze Familie einliefern? Zorro, Kinder über zwölf nehmen die nicht.«
    Der Fuchs packte Miguel wieder. »Halt dich da raus und erzähl mir nichts über Waisen.«
    Miguel fuhr die Guzmanns zur Stebbins Avenue. Sie betraten das Waisenhaus mit Jorge auf der Bahre unauffällig durch den Hintereingang. Der Fuchs zahlte Miguel aus. »Hombre, wenn uns hier jemand findet, sitzt du mitsamt deiner Taxigesellschaft auf dem Grund des Harlem River. Das ist noch nicht alles. Ich werde deine Mutter, deinen Vater, deine Frau und die Mutter deiner Frau aus dem Fenster werfen. Und glaub nicht, dass sie im Grab Ruhe haben. Ich werde die Leichen aus der Erde buddeln und mit Hunden kommen, die auf sie pissen. Hombre, ich werde dir für zweihundert Jahre Schande machen.«
    Miguel trat mit verdrehten Augen auf die Straße; er war froh, dass er keine Marranen mehr chauffieren musste.
    Die Guzmanns bekamen Ärger im Waisenhaus. Die Oberschwestern gerieten in Wut, weil ein Junge sich erlaubte, in ihren Gängen zu bluten. Calvarados, der Chefarzt, trat zwischen seine Kinderschwestern und den Fuchs. Zorro zerrte am Ärmel des Arztes. »Calvarados, ich glaube, wir sollten uns unterhalten.«
    Sie gingen ins Büro des Arztes. Ohne die Aufseherinnen und seine Brüder, hinter verschlossener Tür, grollte der Fuchs. »Calvarados, die Guzmanns haben für Ihre Waisen bezahlt. Mein Vater war Ihnen gegenüber großzügig. Wir wissen viel über Waisen, verstehen Sie? Meine Familie konnte sich keine Mutter leisten. Daher steht uns Ihre Nächstenliebe zu. Mein Bruder Jorge wird verbluten, wenn Sie uns abweisen.«
    »Señor, wir sind kein Krankenhaus, sondern ein Kinderheim.«
    »Das ist richtig. Aber Sie sind Arzt, und Sie haben eine kleine Armenstation, die ausreicht, um die Wunden meines Bruders zu verarzten.«
    »Ich bitte Sie, bringen Sie ihn ins Jacobi, oder ins Bronx-Libanon. Hier gibt es keine

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