Das Isaac-Quartett
man niesen konnte; Abalone in Streifen, die sich wie winzige Fische im Mund kringelten; zehn verschiedene Schweinefleischgerichte.
Papas Speisen zogen Iren aus anderen Bars an. Man fand zu Papas Essenszeiten, von vier Uhr nachmittags bis Mitternacht, keinen freien Hocker in den Kings of Munster. Patrick musste sich mit beiden Ellbogen einen Weg durch die Bar bahnen, um den Überblick zu behalten; sonst hätte er das Baby im Dunstschleier der Iren aus den Augen verloren. Wenn die Menschenmenge zu dicht wurde, suchte er den Malkasten; er wusste, dass Jerónimo nicht ohne seine Wachskreiden verschwinden konnte. Während die Iren Abalone und Tintenfisch verschlangen, starrte ihn das Baby an, Jerónimo mit einem Malstift im Mund, mit riesigen Augen, mit vor Hitze geschwollenen Ohren, und Patrick musste schielen oder auf seine Socken schauen.
Ein Dutzend Iren lauerten Patrick eines Nachmittags auf und nötigten ihn zu einem Ringkampf. Patrick nahm sich jeweils vier Iren gleichzeitig vor. Als der letzte gerade an seinem Ellbogen lehnte, verrenkte er durch einen Zufall sein Gesicht zum Gebetsraum. Er blinzelte in das Territorium der Guzmanns im Hinterzimmer, Betten, Bündel und freier Boden. Der Malkasten war nicht da. »Gnade mir Gott«, sagte Patrick und schleuderte die Iren von sich. Das Baby hatte sich unter Patricks langer irischer Nase davongeschlichen. »Wooo ist das Kind?« Sammys Kunden flohen in die hintersten Winkel der Bar, als sie Patricks Gebrüll hörten.
Patrick steckte sich Guinness-Flaschen in seine abgetragene Hose, nahm Anlauf und stand mit einem Satz auf der Straße. Wohin zog es ein Baby auf Streifzügen? Die alten Pferdeställe und Fabriken der Greenwich Street waren nichts für Jerónimo. Das Baby würde zur Perry Street oder zur Charles Street gehen, überlegte Patrick. Der Abingdon Square war zu überlaufen, und zu viele Autos hätten einen Jungen vom Bürgersteig schnappen können. Patrick lief zum oberen Ende der Charles Street. Kein Junge war zu sehen. In der Perry Street waren Reisegruppen von Schwulen unterwegs, die sich über einen zerlumpten, unbeschuhten weißhaarigen Riesen lustig machten.
Patrick nahm sich die Bethune Street vor. Eine Kreuzung vor der ausgebrannten Schul sah er Jerónimo mit einem kleinen Knirps von einem Jungen laufen. Der Riese folgte ihnen auf zittrigen Knien. Er konnte nichts Unschickliches an ihrem Gang erkennen (Jerónimo betatschte den Knirps nicht, zog nicht an den Kleidern des Jungen). Er betete zum behaarten Esau, dem unglücklichen Sohn Jakobs und Rebekkas, den Verstand eines Iren aufklaren zu lassen. Der Knirps machte ihm Sorgen. Er trug mitten im Sommer eine Mütze und einen Samtmantel, und einer seiner Knöchel war dicker als der andere. Patrick hatte fünfzehn Jahre lang unter »dicken Knöcheln« gelebt; im Polizeipräsidium waren sie ein gewohnter Anblick. Entweder litt der Knirps an Elefantitis, oder er hatte einen Halfter am Schuh stecken.
Patrick verfluchte seine eigene Leichtgläubigkeit. Der Knirps war ein Lockvogel, den Isaac geschickt hatte, um Jerónimo eine Falle zu stellen und ihn auf die Dächer zu locken. Patrick hatte sich ein übereiltes Urteil über Jerónimo gebildet. Warum konnte Papas Junge nicht in der Bethune Street spazieren gehen? Durfte man eine stillgelegte Schul nicht aufsuchen? Der Knirps war hier postiert worden, um Jerónimo zu verführen. Sie würden auf ein Dach steigen, das Isaac im Voraus bestimmt hatte. Der Knirps würde nach vorgefertigtem Plan Jerónimos Backen abknutschen. Dann würden sich die Bullen auf das Baby stürzen, es in Handschellen legen und »Der Freak, der Freak« kreischen.
Aber dazu konnte es nicht kommen, wenn Patrick Isaac dem Tapferen einen Strich durch die Rechnung machte. Er versuchte, Jerónimo zu warnen. Er legte die Hände als Trichter um seinen Mund und rief über die Straße. »Jerónimo-o-o!« Aber Jerónimo hatte keine Dächer im Sinn. Der Knirps ging mit ihm in die Schul. »Jesus«, sagte Patrick.
Er rannte auf die Schul zu; in seiner Hose klirrten die Guinness-Flaschen. In seinem Rausch konnte er sich kaum auf den Beinen halten. Die Stadt hatte den Eingang zur Schul mit Brettern vernagelt. Jerónimo und der Knirps mussten unter den Brettern durchgekrochen sein. Patrick kam nicht rein. Er riss sich die Finger am Holz auf. Er trat auf lange Holznägel, und der Rost fraß sich in seine Ferse. Er beschwor den Riesen von Munster, Cruathair O’Carevaun, ihm Kraft über die Bretter zu
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