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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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von Dublin zu zählen. Sie kletterte über die Barrikaden. Schachteln zerfetzten unter ihren Füßen. Lumpen quollen heraus. »Gute Nacht«, sagte sie und die Sonne schimmerte auf ihrem Haar. Selbst die Mädchen besaßen noch genug Verstand, um den Unterschied zwischen Tag und Nacht zu erkennen. »Nacht«, sagte sie, »gute Nacht«, und sie schlurfte davon in die Gosse. Annie hatte keinen Penny mehr in ihrem Rocksaum. Sie wollte durch die Bars ziehen und irische Lieder singen, wie eine Straßenmusikerin, alles für ein paar Pint Whiskey für die Mädchen. Aber sie kam nie auf der Südseite der Ninth Avenue an.
    Die Mädchen hatten den Verkehr für sie beobachtet. Wie sie da in ihrer Festung hausten, hatten sie eine Art siebten Sinn entwickelt. Sie konnten die meisten Katastrophen spüren, die Hexen von Clonmel, Wicklow und Dun Laoghaire.
    Sie hätten geschrien, wenn sich die Autos vor Annie verdichtet hätten. Aber dann tauchte aus dem Nichts ein Taxi auf und fuhr Annie Powell über den Haufen. Es war nicht aus dem fließenden Verkehr aufgetaucht, diese bösartige, wütende Maschine, die ein Mädchen über den Kotflügel schleudern und verschwinden konnte. Das Blut peitschte in langen, langen Schnüren aus Annies Mund. Sie bebte in der Luft, erhob sich unter der Wucht dieser Maschine und ihr Rücken zerbarst beinahe in zwei Teile, als sie dann in den Rinnstein stürzte und sich ihre Oberschenkel aus den zerfetzten Röcken lösten. »Heilige Mutter Gottes«, kreischten die Hexen und durchbrachen ihre Barrikade, um zu Annie Powell zu gelangen.

TEIL SECHS
24
    Er hatte das Mädchen umgebracht, er, Isaac, der große Boss. Er hatte Annie Zweiertrupps wildfremder Jungs aus seinem Büro anvertraut. Er hätte jeden einzelnen Leibwächter persönlich überprüfen müssen, den er zu ihr abkommandierte. Aber er war ja zu blöd ins Präsidium zu gehen. Er leitete seine Truppe von einem alten Verlies aus, das schon bald Rebecca von den Rockaways gehören würde. Er konnte nicht mehr sagen, wer eigentlich für ihn arbeitete. Er musste in seinem Büro anrufen, um auf dem Laufenden gehalten zu werden. Seine blauäugigen Engel hätten die Geißel der City sein sollen. Aber diese Engel stürzten ab. Sie kamen sich bei verschiedenen Jobs und Nachforschungen gegenseitig in die Quere. Es gab keinen Isaac mehr, der sie verhätschelte und ihre Angriffe koordinierte. Ohne Isaac den Reinen waren sie entwaffnet.
    Der Chef hatte einen Wurm in sich. Der Wurm verwirrte ihm den Verstand. Er hatte sich zurückgezogen, lebte in einem verratteten Hotel, um den Nuttenmarkt New Yorks offenzulegen. Seine Pennerklamotten hatten ihm gar nichts genutzt. Die Luden machten sich über die Holzkohle auf seinem Gesicht lustig. Sein Hotel war eine Kantine für zwölfjährige Prostituierte aus dem Mittelwesten. Er bekam kein Bein in die Tür. Er schaute sich hier und da um und darüber vergaß er Annie am Leben zu halten.
    Nachdem sie nun tot war, wurde Isaac aktiv. Es gelang ihm nicht, das Taxi aufzustöbern, das sie überfahren hatte, aber er setzte sich mit Annies Mutter in Verbindung. Mrs. Powell verfluchte ihn am Telefon. Sie wollte nicht ins Leichenschauhaus, um Annie zu sehen. »Meine Tochter ist in Irland. Sie ist mit einem lausigen Dieb abgehauen. Ich wünschte, ich könnte sagen, er ist ein Jud. Aber er ist so irisch wie Kardinal Cooke. Dermott Bride hat meine Annie … er hat meine Tochter. Also erzählen Sie mir nichts von dieser Leiche, die Sie da aufgegabelt haben. Ist mir egal, und wenn Sie der Commissioner des heiligen Patrick persönlich wären. Wenn Sie mich noch mal belästigen, verklag ich Sie.«
    Sie legte einfach auf. Sollte Isaac ihrer Tochter ein katholisches Begräbnis organisieren? Der Wurm zappelte Nein. Irgendeine Trauerfeier musste er aber für Annie Powell arrangieren. So sehr vom Glauben abgefallen, wie er war, gehörte er doch immer noch den Hands of Esau an, der Bruderschaft jüdischer Cops. Seinen Blue Eyes Manfred Coen hatte Isaac mit Hilfe der Hands of Esau begraben lassen. Er luchste ihnen auch ein Grab für Annie ab. »Jüdisches Mädchen«, nuschelte er. »Vergesst ihren Namen … ich brauche ein hübsches Fleckchen.«
    Die Hands of Esau heuerten rechtgläubige Männer an, um das Kaddisch für Annie Powell zu sprechen. Isaac fuhr im Leichenwagen mit hinaus nach Queens. Er warf Erdklumpen auf Annies Sarg, als sei er ihr ein Vater gewesen. Die Totengräber hatten Mitleid mit Isaac. Sie boten ihm eine Zigarette an. Aber der

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