Das Isaac-Quartett
sie akzeptieren. Aus der Grafschaft Queens. Ein Flecken der alten Heimat. Annie besorgte ihnen Whiskey. Sie ließen die Flasche kreisen. Die Mädchen waren Witwen, die ihre Männer bereits vor vierzig oder fünfzig Jahren verloren hatten. Sie kannten sich aus mit der Liebe. Sie konnten sich noch an die Nächte unter der Decke erinnern. Heilige Mutter Maria, da ist ein Mann in meinem Nachthemd! Was macht der da? Die Ehemänner waren jung gestorben. Wenn die Erinnerung daran sie packte, veranstalteten sie ein fürchterliches Geheul auf der Ninth Avenue. Mit ihrer Jammerei brachten sie den Verkehr zwölf Blocks weit zum Erliegen. Sie sahen Annie Powell an und erkannten, dass sie ein Mädchen mit Liebeskummer war.
Annie heulte nicht mit Margaret, Edna und Mary Jane. Wie soll man denn einen Lebenden betrauern? Oh, Tote gab es schon genug. Aber ihr König saß in Dublin und frühstückte mit den Fischerleuten Würstchen und Orangenmarmelade. Was sollte eine Frau da tun? An der Festung aus Kartons fuhr ein Auto vorbei, ein blaues Auto mit einem alten Mann hinterm Steuer. Sein Buckel kam Annie nicht ganz unbekannt vor. Wann war denn Coote, der Fischer, von Castledermott nach Americky und auf die Ninth Avenue gekommen? Annie stieg in ihren zerfetzten Röcken über die Kisten und rief hinter dem blauen Wagen her, damit sie mit dem Fischer reden, ihn nach dem König fragen konnte. »Coote«, sagte sie, »warte auf mich.«
Der Wagen hielt am Ende des Blocks. Annie, die Hexe, ging hin und steckte ihren Kopf zum Fenster hinein. »Wie geht es Ihnen, Mr. Coote?«
Der Fischer lächelte. »Fit wie ’ne Fiedel«, sagte er. »Und wie geht’s dir, meine Liebe? In letzter Zeit mal wieder im Nebel verlaufen?«
»Es nebelt nicht oft in New York«, entgegnete Annie.
»Wirklich zu schade, dass ich dir nicht so helfen kann wie damals in Connemara. Ich hab dich vom Cashel Hill geholt. Ich und meine Jungs. Aber bei schlechtem Wetter sollte man wirklich nicht picknicken gehen …«
»Möchten Sie eine Süßkartoffel, Mr. Coote? Ich kann Edna bitten Ihnen eine zu backen.«
»Danke, meine Liebe, aber ich leide an Verstopfung. Sidel muss mir wohl seinen Wurm vermacht haben.«
»Wer ist Sidel?«
»Du kennst ihn. Der Bursche, der in Pennerklamotten durch die Gegend rennt.«
»Father Isaac«, sagte sie.
»Hast du dich mit ihm unterhalten, meine Liebe? Hast du ihm von Dermott und mir erzählt?«
»Kann mich nicht erinnern.«
»Er ist ein übler Zeitgenosse, dieser Father Isaac. Hat er sich dir unzüchtig genähert?«
»Niemals. Er spendiert mir gern Champagner. Er hält mich für seine Tochter.«
»Du meinst die berühmte Marilyn? Die war schon siebenmal verheiratet.«
»Da muss ihr was jucken … Ich möchte keine sieben Ehemänner unter meiner Haut stecken haben … Wie geht’s dem König? Hat er inzwischen eine Neue?«
»Nein, nein«, sagte der Fischer. »Du bist seine Süße. Er macht sich Sorgen um dich, Liebes. ›Warum steht meine Annie auf der Straße?‹, fragt er.«
»Ich schulde ihm Geld. Das muss ich zurückzahlen.«
»Was für Geld?«
»Er hat mich für fünftausend Dollar meiner Mutter weggenommen.«
»Fünftausend? Die kannst du dir von mir leihen.«
»Was hätte das für einen Sinn? Ich würde meine Schulden nur herumschieben … Wenn er seine Annie von der Straße haben will, Mr. Coote, dann soll er mich holen, sagen Sie ihm das.«
»Mach ich«, sagte der Fischer. Er fuhr davon und ließ Annie zurück, der ihr König durch den Kopf schwirrte. Sie aß eine Süßkartoffel mit den Mädchen. Sie soff irischen Whiskey. Sie dachte an Marilyn. Wie war das wohl siebenmal eine Braut zu sein? Annie war nur einmal verheiratet gewesen, aber damit gleich zweimal zur Braut geworden. Dermotts Braut. Brides Braut. Das Ganze war ein Witz. Alles die Schuld des Königs und seines Esels. Der Esel hatte sie in der Kühle einer irischen Kirche weggegeben. Sie musste den Trauring vom Finger nehmen. In dieser Kirche lag nur wenig Zauber. Sie war immer noch Annie Powell, dieselbe Annie. Dermotts heimliche Braut.
Sie trank Whiskey mit Margaret, Edna und Mary Jane. Die drei Hexen verstanden den ruhelosen Kampf der Knie unter Annies Rock.
Sie war wie eine Kuh, wie eine wild gewordene Kuh ohne Gefährten. Der Whiskey hatte sie in ein raues Fieber getaucht, von dem sie verrückt wurde. »Bridey«, murmelte sie. »Die Braut von der Little Bride Street.« Oh, sie hatte Halluzinationen. In ihrem wilden Gebrabbel fing sie an die Straßen
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