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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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Metallkanister durch Esau Woods und er hätte sich nicht mal die Schuhe beleuchten können: Die Glühbirne glomm nur noch. Er fand die Markierung in Feld n, Reihe B. Es handelte sich um einen Stock auf einem Stückchen Dreck, an den ein schmieriger Lappen geknotet war. Mehr war von Annie Powell nicht übrig. Der König zitterte am Grab. Die Kälte bohrte sich in ihn. Warum? Es war doch noch gar nicht Winter?
    Dieser an einen Stock gebundene Lumpen war sein königliches Herrschaftszeichen: Er war ein schmutziger, wehleidiger Gauner mit Seidenkrawatte, der wie eine Kanonenkugel aus der Bronx geschossen war, mit Polizeigeld und Polizeiwitz, der einen Richter in Connecticut bestochen hatte, seinen Namen zu verkürzen, damit er nicht mehr wie der eines abgerupften irischen Bengels klang. Dermott Bride. Dermott Bride. Komische Hautfarbe für einen Iren. Dunkle Haare und dunkle Augen. Kann man sich so was vorstellen? Jetzt gibt es in der Neuen Welt sogar irische Neger. Die leben in einem Land, das heißt Bronx. Sein Dad hatte keine Erklärung für die Hautfarbe der männlichen McBrides. Der alte Mann war ein dunkelhaariger Hausmeister gewesen. Er ging mit seiner Familie nicht in die Kirche. Er wollte nicht, dass der kleine Dermott von irgendeiner kahlköpfigen Nonnenhexe geschlagen wurde. Der Junge ging auf eine Privatschule. All die anderen Iren in seiner Klasse waren so rotbäckig. Grünäugige Mädchen. Sie wurden größer als der kleine Dermott. Er kämpfte mit diesen großen irischen Maultieren, mit Mädchen und Jungen, biss, kratzte, quetschte mit seinen Daumen Augen aus, sonst hätten sie ihn lebendig verspeist. Trotzdem wollten sie nichts mit ihm zu tun haben. Keiner nahm ihn auf, nicht die Salters, die Green Bays, die Emerald Knights. Er musste mit den Devils losziehen, einem räudigen Haufen ohne Clubhaus, der auch Iren aufnahm und einen Nigger zum Präsidenten hatte.
    Die Devils waren nicht in der Lage, seine Herkunft für ihn herauszufinden. Dermott stürzte sich auf die Geschichtsbücher. Wie schlägt man Ire, dunkelhaarig nach? Er las über die Gälen und die wilde Insel, die Cäsar links liegen ließ, als er die Welt eroberte. Eine Insel voller wilder Menschen mit Bullen und Kühen. Aber wo, wo waren die dunklen Augen? Er las weiter. Die englischen Eroberer und das Gau, the Pale, das sie rings um Dublin errichteten, das nur Engländer betreten durften. Die irischen Könige mussten mit ihren Kühen und ihren Priestern in den Schafställen frieren.
    Und dann fand der kleine Dermott seine eigene Geschichte im Untergang der Spanischen Armada wieder. Ein paar Schiffe wurden im Sturm an die irische Küste gespült. Das war 1588. Bewaffnete anglo-irische Truppen warteten mit Knüppeln in der Hand am Strand. Die dunkelhaarigen Seeleute, die aus ihren Schiffen krochen, wurden einer nach dem anderen erschlagen. Einer Handvoll gelang die Flucht ins Landesinnere, wo sie in irgendeinem unbekannten Dorf jenseits des Pale versteckt wurden. Dermotts wahre Väter entstammten solch einer Handvoll. Er war spanischer Ire, ein Mick mit Augenbrauen. Er hatte das Rätsel seiner Herkunft gelöst. Es war völlig egal, was sein Vater in der Bronx tat. Der Junge stammte von spanisch-irischen Schweinehütern oder etwas Ähnlichem ab. Die McBrides waren zweihundert Jahre lang durch Schweinescheiße gewatet. Dermott schwor sich, dass er aus dem Modder kriechen würde.
     
    »Johnny, schläfst du?«
    Der König erschreckte John zu Tode. Der Tiger schloss die Augen, während der kleine Dermott auf dem jüdischen Friedhof herumkroch und nach seiner Annie suchte, und Heilige Mutter Gottes, ehe John auch nur einmal blinzeln konnte, war der Bursche auch schon wieder zurück!
    »Hast du zwischen den Bäumen Harpyien gesehen?«
    »Nicht eine einzige.«
    »Schade«, meinte der Tiger. »Wenn sie einem an den Augenbrauen zupfen, soll’s einen Monat lang Glück bringen. Aber Harpyien können auch gefährlich sein. Gott steh dir bei, wenn sie in deinen Haaren nisten.«
    »Heute Nacht waren keine Harpyien unterwegs.«
    »Das liegt an der Wärme«, sagte Tiger John. »Im Oktober lassen sie einen in Ruhe.«
    Der Commissioner hatte sich eine völlig beknackte Mythologie für jedes Biest zurechtgelegt, das durch die Wälder schlich. Sollten die Harpyien ruhig in Dermotts Haar nisten. Er würde sie mit nach Dublin nehmen und in den Schlaf kitzeln. Dann würde er sie mit Stumpf und Stiel abschneiden.
    »Hat Isaac für die Lady gesorgt?«
    »Einen Lumpen und

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