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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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neben einem fauchenden Chinesen aus Havanna sitzen müssen. Also dachte er an das Essen. Er nahm an, in einem mexikanischen Flugzeug würde man ihm Tostadas und aufgewärmte Bohnen vorsetzen. Er hielt sich am Sicherheitsgurt fest, bis sie wohlbehalten in der Luft waren. Er war bisher erst zweimal geflogen; vor dreizehn Jahren mit Transportflugzeugen der Armee, nach Deutschland und wieder aus Deutschland raus. Chino war im Fliegen erfahren; er hatte Ferien in der Karibik gemacht und war häufig für César geflogen. Er kam aus dem Barrio Chino (dem Chinesenviertel) Havannas, wo sein Vater bis 1959 eine Bäckerei und ein Restaurant betrieben hatte. Er war vierundzwanzig Jahre alt und verachtete die Fidelistas, deren Anwesenheit in Havanna seinen Vater so sehr erschreckt hatte, dass er die Bäckerei verkauft und das Nuevo Chino Café geschlossen hatte. Fern von Kuba waren die Knochen seines Vaters geschrumpft, und er hatte Blut gehustet, bis er an der Doyers Street starb. Chino warf Coen die Politik der Juden vor, die, davon war er überzeugt, die Fidelistas an die Macht gebracht hatte. »Lebt dein Papa noch, Coen?«
    »Nein, gestorben.«
    »Meiner auch. Er hat Stalin geliebt, dein Papa, nein?«
    »Er war Pole«, sagte Coen. »Die Polen hassen die Russen.« Chino rückte mit seinem Ellbogen näher an Coen. Er hatte noch nie mit einem Bullen gearbeitet. »Mach dir wegen des Abzeichens keine Sorgen, Coen. Ich kenne einen Blechschmied am Lagunilla Markt. Der wird dir wunderschöne Abzeichen machen.« Und doch musste er diesen Juden bestrafen, wenn sie wieder zu Hause waren. Zu viele Leute hatten über den Bullen geredet, der Chino Reyes eine runtergehauen hatte. Coen musste ohne aufgewärmte Bohnen über die Runden kommen. Es gab scharf gewürzten Schinken, Kartoffelgratin und eine Scheibe Zitronenkuchen.
    In der mexikanischen Sonne wurde Coen schwindlig. Er sah sich am Flughafen nach exotischen Pflanzen um. Chino führte ihn durch die Zollkontrollen und requirierte ein Taxi. Er feilschte mit dem Fahrer, bot ihm mit seinen Fingern einen Festpreis an und stieß Coen ins Taxi. Sie fuhren durch eine Gegend mit Bruchbuden und schäbigen Mietshäusern; Coen starrte Gesichter und Löcher im Bürgersteig an. Sie fuhren durch den Insurgentes Sur in die Reforma und stießen dort auf ein Märchenland von Monumenten, Glorietas (Verkehrsinseln) und hohen rosa Hotels. Der Chinese deutete auf die Boulevards. »Wie in Paris, was? Die Campos Eliseos.«
    »Ich war nie in Paris«, sagte Coen, der sich von dem häufigen Kreisverkehr und den Kreuzungen einschüchtern ließ.
    »Ich auch nicht«, sagte der Chinese.
    Sie hielten vor dem Zagala-Hotel an, gegenüber dem Alameda-Park. Chino zahlte den Fahrer in Dollar und holte mit dem Ruf: »Mozo, Mozo«, einen Gepäckträger herbei. Ein dürrer alter Mann mit Käppi, der sechs Koffer gleichzeitig tragen konnte, riss Coen das Gepäck aus der Hand. Sie wurden im dritten Stock in einem engen Zimmer, von dem aus man die Mauern des angrenzenden Hotels sah, untergebracht. Coen wollte sich hinlegen, aber Chino war nicht bereit, sich mit diesem Zimmer zufriedenzugeben. Er schrie ins Telefon und beschimpfte lautstark den Manager, die Gattin des Managers und die Concierge des dritten Stocks. »Denen muss man eins aufs Dach geben«, versicherte er Coen, »sonst ist man hier verratzt.« Sie wurden in ein noch engeres Zimmer im achten Stock mit einem riesigen Porzellan -Bañadero (einer Badewanne) verlegt, von dem aus man auf den Park sah. Chino entließ den Mozo mit einem Klatsch auf die Schulter und drei Zehncentstücken in die Hand. Daraufhin behandelte er den alten Mann freundlicher und gab ihm einen Hut und einen Schal aus seinem Koffer. »Gib niemals zu viel Trinkgeld, Coen. Sonst wissen sie, dass sie mit dir machen können, was sie wollen.«
    »Chino, du hast ihm einen Fünfzig-Dollar-Hut geschenkt.«
    »Das heißt gar nichts. Seine Kopfform hat mir gefallen. Geld darfst du nicht geben.«
    Mit einem Stück Hotelseife auf den Knien in dem großen Bañadero sitzend, lehrte der Chinese Coen eine Formel für den Umtausch von Dollar in Pesos. Coen ging im Schlafzimmer auf und ab und versuchte, sich die Formel einzuprägen. Er fing an, den Chinesen sympathisch zu finden. »Wie heißt du eigentlich richtig, Chino?«
    »Herman«, sagte der Chinese, ohne zu zögern. »Nur mein Vater durfte mich so nennen. Wenn du mich so nennst, beiß ich dir ins Gesicht. Das verspreche ich dir.«
    Coen hatte es eilig,

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