Das Isaac-Quartett
verschrammten Knie zu berühren. Mit einer Caroline, die über ihm rumturnte und die Matratze in Erschütterung brachte, fürchtete der Chinese, er werde um alle Wohltaten eines Schläfchens gebracht.
Der Chueta, Mordeckay Cristóbal da Silva Gabirol, war aus Peru nach Mexiko gekommen. Seine Vorfahren waren größtenteils Portugiesen, Krypto-Juden, die zum Katholizismus übergetreten waren, um ihre Haut zu retten. Sie wurden Priester, Seeleute und Minister des Königs von Portugal, bis die Inquisition über sie hereinbrach und sie nach Holland und in die beiden Amerikas trieb. Die da Silvas mussten fünf kleinere Inquisitionen über sich ergehen lassen, ehe sie nach Peru kamen. Die wenigen, die noch übrig waren, hatten keinen Pfennig mehr; sie gingen in die Kirche (die sie El Synagoga nannten) und murmelten zu Hause ihre geheimen Gebete, und sie kochten Unmengen Schweinefleisch im Freien vor ihren Häusern, um ihre christlichen Nachbarn irrezuführen und sich gegen zukünftige Inquisitionen zu schützen. So hatte Mordeckay seine Rolle als Schweinekoch und Schweineesser geerbt. Es bestand kein äußerlicher Anlass mehr, die Christen an der Nase herumzuführen (seit 1721 war kein da Silva mehr verbrannt worden), doch die Chuetas konnten ihre Geheimniskrämerei nicht aufgeben. Wie sein Vater, so hatte auch er eine Anlage zur Schwermut. Da er seine Colonia (oder seinen Bereich) nie verließ, wusste er nichts über Mexiko City. Er lebte zwischen Mauern, nahm die Leitungsrohre und Galerías in der Belisario Dominquez hin und hasste den Straßenlärm und das brutale Licht auf offener Straße. Er leistete seinen Cousins in der Bronx einige ganz spezielle Dienste, für die er entsprechend bezahlt wurde. Er suchte sich keine andere Anstellung und verbrachte seine Zeit betend über seinen Töpfen mit kochendem Schweinefleisch. Mordeckay sprach Gebete für die da Silvas, ob tot oder am Leben, für seine Cousins in der Bronx und für die Chuetas in aller Welt, für El Dia dei Pardon (den Tag der Sühne), für die Schweine, die geschlachtet wurden, damit die da Silvas überleben konnten, für die Dunkelheit, die die Chuetas schützte, für die portugiesische Sprache, die ihnen beigestanden hatte, für das Spanisch, das sie in Amerika sprachen, für seine eigene Abtrünnigkeit, seine erzwungene Abkehr von den Gesetzen Mosis. Er verehrte Cristóbal Colón (Christoph Kolumbus), den er für einen Chueta aus Portugal hielt, und Königin Esther, die einen persischen König geheiratet hatte, um die Juden zu erretten und somit die erste Marranin der Geschichte geworden war. Die Chuetas fühlten sich der Heiligen Esther verpflichtet; an dem Tag, der ihr zu Ehren gefeiert wurde, durften sie nicht ausspucken, nicht urinieren und kein Schweinefleisch verzehren. An Esthers Feiertag aß Mordeckay nur Spinat. Und ganz gleich, wie sehr seine Nieren rebellierten, ließ er bis Sonnenuntergang kein Wasser.
Mordeckay war unbeschnitten. Vor Jahrhunderten hatten es sich die Chuetas nicht leisten können, die Vorhaut entfernen zu lassen, weil sie die Inquisitoren fürchten mussten, die sie augenblicklich als Juden identifiziert hätten; im Eingedenken an jene Inquisitoren früherer Zeiten hatten die Chuetas auf dieser Sitte beharrt. Sie konnten keine fünf Jahrhunderte alte Überlieferung brechen. Daher behielten sie ihre Vorhaut und beteten, El Señor Adonai möge ihnen vergeben, bekreuzigten sich und spuckten in die Richtung des Teufels. »Vergib mir, Adonai«, rezitierte Mordeckay allmorgendlich in modernem Portugiesisch, »vergib mir, dass ich deine Gesetze mit Füßen trete, dass ich mich nicht an die vorgeschriebene Beschneidung gehalten habe. Ich bin unrein, Vater Adonai. Aus der Verdammnis bin ich geworden, und mein Samen ist unrein. Aus diesem Grunde, Adonai, habe ich das Los gewählt, nie zu heiraten. Letztes Jahr, Adonai, ist ein Rabbi mit einem besonderen Mann aus Nordamerika gekommen, um die Konvertiten dieser Gegend zu beschneiden. Ich habe mich geweigert, Herr. Ich konnte den Glauben meiner Familie nicht verraten. Mit dreizehn, Adonai, enthüllten uns unsere Väter die Wahrheit unseres Erbes und schworen, dass ein jeder unter uns, der sich dem Ritual unterzog, nicht länger ein da Silva bleiben konnte. So habe ich denn meine Beine vor dem Messer des Rabbis verschlossen. Was ich tat, Adonai, haben schon meine Vorfahren getan. Anders könnte ich nicht leben. Vergib mir, Adonai, und sende mir Bücher über deine Gesetze auf Spanisch
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