Das Isaac-Quartett
trommelte er Mordeckay und seine fünf Söhne zusammen.
»Kinder, die Norteamericanos werden uns verspotten, wenn wir nicht etwas unternehmen. Moisés Guzmann lässt nicht zu, dass seine Arbeit von Hahnreien verrichtet wird. Wenn ich Raphael nicht lebendig eine reinhauen konnte, tue ich das, wenn er tot ist.«
Mordeckay murmelte etwas über den Unterschied zwischen heiliger und ungeheiligter Rache, doch er musste mitgehen; sich der Familie, die ihn beherbergte, zu widersetzen, wäre ein Akt der Unverschämtheit gewesen. Jorges und Alejandros starke Schultern schleiften ihn jedenfalls zur Tür des Beerdigungsinstituts. Mordeckay setzte seine Ohrenschützer ab und nahm den Hut in die Hand. Die Guzmanns sahen überall nach; als sie die richtige Kapelle gefunden hatten, unterbrachen sie die Messe, die für Raphael gelesen wurde. Nur vereinzelte Menschen hielten sich in diesem speziellen Raum auf; hier und dort ein Chueta, die Frau des wütenden Ehemanns, der Küster und eine Art Priester in Soutane und Wollpullover. Papa näherte sich dem Sarg. Er hob den Kopf des Palestino (ein geschickter Bestatter hatte ihn geschminkt und eingewachst, damit Raphael ein schwaches Lächeln aufrechterhalten konnte), küsste ihm die Augen, beklagte mit zwei Klageschreien, die einem das Trommelfell zerspringen ließen, den Verlust eines Cousins und schlug ihn auf beide Wangen. Jorge, Alejandro, Topal, César und Jerónimo wiederholten dieselbe Prozedur und klagten ebenso laut wie Papa. Mordeckay weinte, als er an die Totenbahre trat; das Gesicht des Palestino hatte unter den vielen Schlägen seine Farbe verloren, und eine Wange war bereits nach unten gefallen. »Adonai, vergib mir, dass ich einen deiner Engel schände. Ich gelobe, deine Gesetze zu erlernen; am nächsten Tage der Königin Esther werde ich länger und inbrünstiger beten.« Er schlug zu.
Mordeckay zog seine Finger blau gepudert zurück; die Wange (die noch nicht eingefallene) schwabbelte unter seinem Hieb. Er rannte aus der Kapelle.
»Papa«, flüsterte Alejandro, »soll ich ihn nach Hause bringen?«
»Lass ihn in Ruhe«, knurrte Papa.
Als Papa und die Jungen in den Süßwarenladen zurückkehrten, trug Mordeckay sein Madrashemd. Er bat Papa, ihn von seinen Verpflichtungen zu befreien. Papa konnte einen Cousin nicht zwingen, zu bleiben; ein Mann so vieler Gebete war in der Boston Road fehl am Platz. Er küsste Mordeckay auf die Stirn. Mordeckay dankte den Jungen dafür, dass sie ihn in ihren Betten geduldet hatten, und mit Ohrenschützern in der Tasche bestieg er einen mexikanischen Frachter.
TEIL ZWEI
9
Die Gelegenheitsgäste, die nur einmal wöchentlich in Schillers Pingpong-Club kamen, amüsierten sich über den Bullen, der beim Spielen sein Abzeichen und seine Waffe trug. Sie genossen den Anblick eines Halfters auf blauen Shorts. Sie schlossen Wetten miteinander ab, auf Ehre, nicht um Geld, dass der Bulle in dieser Montur keine Schmetterbälle schlagen konnte. Schiller missbilligte diese Wetten. Er wollte nicht, dass sein Club zu einem Zirkus entartete. Daher hielt er die Gäste, die nur gelegentlich kamen, von Coen fern. Doch er war nicht scheinheilig. Selbst Schiller konnte nicht leugnen, dass Coens Uniform aus dem Rahmen fiel: das gelbe Stirnband, die Handgelenkschützer, die Dienstwaffe, das blaue Hemd und die Shorts, die goldene Medaille und die marokkanischen Stoffschuhe verliehen Coen die Aura eines Mannes mit vorzüglichem Konzentrationsvermögen, die Aura eines Tischtennis-Freaks.
Chino hatte Coen die Waffe aufgezwungen. Solange der Chinese frei herumlief, Taxis plünderte, Coens Namen im Second Detective District missbrauchte und ihn später mit einer roten Perücke verfolgte, konnte er es sich nicht leisten, seine Waffe bei Schiller abzulegen. Erst hatte Schiller selbst oder Knoblauch-Arnold den Halfter gehalten, und Coen hatte an dem Tischende gespielt, von dem aus er alle Ausgänge im Auge hatte; doch es verdross ihn, Schiller und Arnold zu seinen Wachhunden zu machen. Warum sollte er es ihnen aufhalsen, dem Chinesen die Waffe unter die Nase zu halten? Also legte Coen den Halfter an. Und da er in Turnhosen selbstbewusst auftrat und sichergehen wollte, dass ihn kein Neuling für einen Gangster von der Columbus Avenue hielt, trug er außerdem das Abzeichen. Schiller schien in dieser Sache zwei widerstreitende Ansichten zu vertreten. Zwar hasste er einerseits die Vorstellung von Schießeisen in seinem Club (er war ein pazifistischer, vegetarischer,
Weitere Kostenlose Bücher