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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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österreichischer Jude), doch andererseits fühlte er sich wesentlich sicherer, wenn Coen da war. Keiner der Flegel vom Broadway würde es wagen, zu ihm zu kommen und seine Bänke, seine Tische und seine Kaffeekanne zu zerschlagen.
    Nach der Rückkehr aus Mexiko machte sich Coen keine Sorgen mehr wegen Chino Reyes, doch er vergaß, seine Uniform zu ändern. Er hatte sich an die Waffe gewöhnt und brauchte für seine besten Schläge das Gewicht auf seiner Hüfte. Immer wenn er einen Ball, der leicht zu kriegen war, nicht erwischte oder wenn er nicht schnell genug zur Vorhand überwechselte, rieb er die Medaille. Er spielte wieder regelmäßig, sechsmal wöchentlich. Er hatte sich selbst Urlaub auferlegt. Das Mädchen lieferte er nicht bei Child, sondern bei Pimloes Chauffeur ab (Isaac hatte ihm vor Jahren beigebracht, wie man dem Ego seiner Vorgesetzten schmeichelt), doch Coen hatte sich noch nicht bei seiner Abteilung zurückgemeldet. Er hatte es satt, sich in der Gegend rumzutreiben. Daher wusch er sporadisch sein Stirnband und spielte mit seinem Mark V bei Schiller.
    Mit zehn, elf und zwölf Jahren hatte Coen in Loch Sheldrake mit den Guzmanns Tischtennis gespielt. Dort, auf dem Land, war er der Champion gewesen und hatte Bauern, Brotlieferanten, Männer aus der Bungalowkolonie, Jorge, César und Jerónimo mit einem geliehenen Sandpapierschläger oder Césars schickerem Noppenschläger geschlagen. Niemand wurde mit seinen Ballangaben und seinen linkischen, jedoch tödlich angeschnittenen Bällen fertig. Als im Freien geübter Spieler konnte er den Ball so mit dem Wind schlagen, dass er auf der anderen Seite des Netzes liegen blieb. Die Guzmanns fletschten die Zähne und schworen, Manfred treibe es mit dem Wind. Jerónimo spielte nur an sonnigeren Tagen mit ihm. César lernte, an Coen zu verdienen. Er verhöhnte die Bauern und Hausbesitzer und forderte sie hämisch dazu heraus, für fünf bis zwölf Cents, je nach ihren Fähigkeiten und Coens Laune, gegen Coen anzutreten. Kurz vor Coens dreizehntem Geburtstag hörte sein Vater auf, Sheb, seine Mutter und ihn ins Sommerhaus der Guzmanns zu schicken. Er vergaß das Tischtennis und konzentrierte sich auf eine Mappe für die Kunstschule; er fertigte Kohleskizzen von Jerónimo und auch von den Eiern seines Vaters an. Im darauffolgenden Sommer kümmerte er sich mit Sheb um den Laden und dachte an die Vogelscheuche von Loch Sheldrake. Als César vom Land nach Hause kam, war er seit acht Wochen in der Schule für Musik und Bildende Künste. Den Guzmanns in einem halben Jahr entfremdet (Papa nahm César im Mai aus der Schule und brachte ihn erst im Oktober wieder zurück), spazierte Coen in einem Hemd mit seinen Schulfarben durch die Boston Road und hielt sich Papas Laden fern.
    Als ihn seine Frau verlassen hatte, um den Zahnarzt zu heiraten, war Coen zu Schiller gekommen. Mit seinem dunklen, spießigen Mantel und den Hochwasserhosen war Coen eindeutig ein Bulle. Doch Schiller schloss ihn ins Herz. Er respektierte die Primitivität von Coens Bedürfnissen. Ob goldenes Abzeichen oder nicht, zu einem Tischtennisclub fühlte sich nur ein einsamer Mann hingezogen. Schiller hatte eine Theorie aufgestellt. Pingpong war ein »heimisches« Spiel. Es holte Zartheit und andere Tugenden hervor. So drückte er Coen einen Schläger in die Hand, Schwamm und Weichgummi, seinen besten, einen Mark V. Und Coen spielte. Mit Schiller persönlich. Einen solchen Schläger hatte er noch nie in der Hand gehabt. Der Ball sank in das weiche Polster ein und hüpfte in die verrücktesten Richtungen davon. Er hörte weder den vertrauten dumpfen Aufschlag am Hartgummi, noch das schrillere Geräusch des Sandpapiers. Der Ball schien zu stöhnen und wie Mus zu quatschen. Doch schon bald konnte er nicht mehr ohne dieses Geräusch leben. Wenn er ohne die Vorteile des Windes und der Sonne in den Augen drinnen spielte, musste er seine alten Angewohnheiten ändern und lernen, sich mit dem Schläger zu mäßigen. Schiller konnte ihn mit tiefen, sachten Schlägen austricksen, die Coen nicht über das Netz bekam. Schiller war nicht bereit, ihn zu verhätscheln. Eine Woche lang sah Coen finster drein. Dann beobachtete er die Flugbahn des Balles. Seine Ausfälle waren nicht ihm, sondern Schiller von Nutzen. Wenn es ihm gelang, den Schläger unter den Ball zu bringen, ohne sein Handgelenk zu verdrehen, konnte er das Drehmoment von Schillers Bällen ablenken und den Ball hoch über das Netz schlagen. Er entwickelte

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