Das ist das Leben!: C'est la vie (German Edition)
studiert hätte.
Ein Buch in kleinen Häppchen lesen, bevor man es dann noch einmal von der ersten bis zur letzten Zeile verschlingt, wenn der erste Eindruck gut war. Neue Wörter entdecken (ach, was für ein Wunder ist doch diese ein wenig zweifelhafte und spät erkannte »Prokrastination«). Vor dem Fernseher weinen, wenn der Gepard seinen tödlich verwundeten Bruder wiederfindet, diesen fauchend umkreist und der Verletzte ihm mit den Augen folgt und jammert wie ein Kind … Auf den Moment warten, wenn Jean-Jacques Annauds Bär sich zu voller Größe vor einem schreckstarren, demütigen Tchéky Karyo aufrichtet. Verblüfft feststellen, dass Leonardo DiCaprio einen geistig behinderten Jugendlichen mit nervösem Lachen spielt, der ständig auf den Wasserturm klettern will, oder Robert De Niro sehen, wenn er in seinem kleinen Zimmer mit sich selbst spricht ( You talkin’ to me? ).
Auf einem menschenleeren Metro-Bahnsteig landen. Durch ein tosendes Gewitter rennen und sich fröhlich unter ein Vordach flüchten. Gesalzenen Karamell kosten. Einen Wald oder Park mit Anabäumen, eine Wüste, Salzgärten, Mangroven oder die seenreichen Dombes im Burgund durchqueren.
Form und Farbe einer Artischockenblüte oder einer Eukalyptuskapsel nachvollziehen. Sich vorzustellen versuchen, welchen Weg die Stimme zurücklegt, die einem beim Telefonieren mit Sydney ans Ohr dringt.
Ungeduldig mit dem Fuß klopfen, wenn es immer später wird (zu spät aufstehen, kein Taxi finden, Staus).
Einem fahrenden Hufschmied bei der Arbeit zusehen. Die Esel und Ziegen mit ihren Glöckchen vorbeigehen sehen, wenn sie aus dem Jardin du Luxembourg kommen, oder die Gendarmerie zu Pferd oder einen Konvoi Oldtimer bei einer Ausfahrt auf der Landstraße.
Brombeeren pflücken. Einem wild gewordenen Stier, einer missmutigen Gans, einem verantwortungsbewussten Wachhund entwischen. Verdrossen zusehen müssen, wie neugierige Kühe mit einem Zungenschlag die schönen Steinpilze verdrücken, die man sammeln wollte.
Rot werden und sich darüber ärgern. Jemanden zärtlich lieben, der gar keine Ahnung davon hat … Im Restaurant zu zweit von einem Teller essen. Im Ausland aufs Geratewohl ein Gericht bestellen. Einen antiken Schrank polieren. Ewig Miles Davis und Thelonious Monk hören.
Einen Frauenhasser mit seinen eigenen Worten in seine Schranken weisen. Aus reiner Menschenfreundlichkeit Orangenblütenwasser ins Glas der Großmutter mütterlicherseits gießen, die sich daraufhin über den merkwürdigen Geschmack des Weins wundert: »Diesen Wein kann man wahrlich nicht trinken, Étienne!« (zu ihrem Schwiegersohn).
Überrascht ein Telefonat von Fremden mithören. Den Großmüttern zuhören, wenn sie lang und breit über die Familie reden. Einen Farbholzschnitt von Hokusai, Kalligraphien, Azulejos oder einen Lendenschurz bewundern. Einen Korb voller afrikanischer Armreifen haben …
6. September
… einen unangebrachten hellroten Fleck auf seiner weißen Hose fürchten, ihn vermeiden und rechtzeitig nach Hause gehen. Aus der Flasche trinken oder einfach den Strahl in den Mund laufen lassen. Einen Brotlaib verkehrt herum hinlegen und sich an das alte Sprichwort erinnern: »Auf dem Rücken liegend verdient man sich nicht sein Brot!«
Obst in einem Korb arrangieren. In einem Wagen mit getönten Scheiben fahren und von außen nicht gesehen werden. Eine Weinflasche mit einem Korkenzieher, der in ein Stück Rebholz gesteckt ist, öffnen und den Korken laut ploppen lassen. Bunte Raupen aufsammeln. Im Vorbeigehen auf der Straße das Eau de Cologne seiner Großmutter riechen. Die Kleider in Eselshaut bestaunen (der Verfilmung des Märchens Allerleirauh mit Catherine Deneuve und Jean Marais). Davon träumen, lange, schlanke Beine zu haben oder den melancholischen Blick italienischer Madonnen mit dem Kind auf dem Schoß, oder so blass und künstlich blond zu sein wie Tilda Swinton.
Eines lange zurückliegenden Tages tot umfallen wollen, als Claude Lévi-Strauss nach einem Referat, von dem man nichts begriffen hatte, ex abrupto fragte, ob man etwas dazu zu sagen habe, und sich schwören, dies nie jemandem anzutun.
Mit Sorgfalt einen Armreif für eine Freundin aussuchen. Eine leidende Seele trösten. Glasierte Maronen bekommen.
Edwige Feuillière und Jean Marais im Théâtre Hébertot in Cocteaus Doppeladler gesehen haben – er hätte lächerlich sein können in dieser Lederhose, war es aber nicht.
In Saint-Nom-la-Bretèche Osterglocken pflücken. Einmal den
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