Das italienische Maedchen
nach oben verschwunden, um sich, wie sie sagte, wieder dem Schreiben zuzuwenden, und seitdem nicht mehr aufgetaucht.
»Wie geht’s Papàs Freundin? Kenne ich sie?«, erkundigte sich Rosanna.
»Erinnerst du dich an Signora Barezi, die Friseurin?«
»Natürlich. Zweitausend Lire für einen schlechten Schnitt«, antwortete sie lachend.
»Sie scheinen sich gut zu verstehen und verbringen viel Zeit miteinander. Sie ist seit letztem Jahr Witwe.«
»Das freut mich. Er war so lange allein. Und Carlotta? Du hast gesagt, du würdest mir von ihr erzählen.«
Vor dieser Frage hatte Luca seit seiner Ankunft Angst gehabt. Er holte tief Luft. »Rosanna, Carlotta geht es nicht gut.«
»Oje.« Lucas Miene sagte ihr, dass es etwas Ernstes war. »Was fehlt ihr?«
»Sie hat Brustkrebs. Der Tumor wurde vor zwei Wochen entfernt, weswegen ich in Neapel war. Jetzt wird sie weiter behandelt, weil die Lymphknoten befallen sind. Sie hoffen, dass das was nützt, aber …«, Luca zuckte mit den Achseln, »wir können nur abwarten und beten.«
Rosannas Lippen bebten. »Das ist ja schrecklich. Wie hat Papà es aufgenommen? Und Ella?«
»Papà ist natürlich am Boden zerstört, und Ella weiß zwar, dass ihre Mutter krank ist, aber nicht, wie schlimm.«
»Die arme Kleine, oder sollte ich besser sagen: Die arme junge Frau? Inzwischen muss sie fast fünfzehn sein.«
»Ja. Sie ist sehr hübsch und hat wie ihre Tante eine wunderschöne Stimme.« Luca lächelte traurig.
»Die würde ich eines Tages gern hören.«
»Das wirst du bestimmt, Rosanna. Carlotta hat allerlei Pläne für Ella. Anscheinend fürchtet sie, dass Papà nach ihrem Tod von Ella erwarten würde, ihren Platz einzunehmen und sich um das Café zu kümmern.«
»Wenn sie eine gute Stimme hat, sollte die doch gefördert werden, oder?«
»Das sieht Carlotta auch so.«
»Dann muss ich nach Neapel. Ich könnte mit Nico sehr bald aufbrechen.«
»Fahr noch nicht, Rosanna, lass Carlotta erst die Behandlung hinter sich bringen. Wenn du nach so langer Zeit plötzlich bei ihr auftauchst, hat sie möglicherweise das Gefühl, dass ihr nicht mehr viel Zeit bleibt.«
»Du machst mir ein richtig schlechtes Gewissen, Luca«, murmelte Rosanna. »Ich hätte Carlotta und Papà wirklich gern gesehen. Sie und Neapel haben mir sehr gefehlt. Aber als ich noch mit Roberto zusammen war, hat es sich sehr … schwierig gestaltet, nach Italien zurückzukehren.«
»Es ist traurig, dass er dich von deiner Familie ferngehalten hat«, bemerkte Luca.
»Carlotta und Papà hätten mich in England besuchen können, aber sie haben es nicht getan. Ich habe ihnen mehrfach angeboten, den Flug zu bezahlen.«
»Du weißt, dass Papà sich weigert, ein Flugzeug zu besteigen, und Carlotta … nun, auch sie hatte ihre Gründe, in Neapel zu bleiben. Warten wir ab, ob sie auf die Behandlung anspricht, dann kannst du immer noch Pläne machen.«
»Luca, sie ist viel zu jung zum Sterben.«
»Ja. Wir müssen fest daran glauben, dass sie es schafft.«
Rosanna schwieg eine ganze Weile, bevor sie sagte: »Luca, habe ich Carlottas Leben durch meinen Umzug nach Mailand ruiniert? Wenn ich nicht gegangen wäre, hätte sie nicht zu Hause bleiben und sich um das Café und Papà kümmern müssen.«
»Ich bin mit dir nach Mailand gezogen, also habe ich Carlotta ebenfalls im Stich gelassen.« Luca schüttelte den Kopf. »Was soll ich sagen? Es war einfach schlechtes Timing. Carlotta hat einen Fehler gemacht und musste einen hohen Preis dafür zahlen.«
»Was für einen Fehler? Die Heirat mit Giulio?«, fragte Rosanna.
»Ja, die Heirat mit Giulio.« Luca wechselte das Thema. »Ich möchte dich etwas fragen: Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich länger als zwei Wochen bei dir bleibe?«
»Aber nein. Es würde mich freuen.«
»Danke. Ich muss erst im September wieder ins Priesterseminar und brauche Zeit zum Nachdenken. Ich glaube, hier wäre der ideale Ort dafür.«
Rosanna sah ihren Bruder an. »Ist alles in Ordnung, Luca?«
»Natürlich, piccolina .« Luca wollte noch nicht über die Gedanken sprechen, die ihn beschäftigten. »Ich bin nur müde von der Reise. Es ist schön, hier zu sein und deinen hübschen kleinen Sohn kennenzulernen. Abi findet, er sieht mir ähnlich.«
»Sie könnte recht haben.« Rosanna unterdrückte ein Gähnen. »Ich bin auch müde. Wir räumen morgen früh auf. Leider wird Nico in sechs Stunden schon wieder quietschfidel sein.«
Sie gingen Hand in Hand die Treppe hinauf. Vor Rosannas
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