Das italienische Maedchen
selbst zurückgeworfen ist. Man wirft seine schlimmsten Ängste und wildesten Fantasien zusammen und hofft, dass das die Leser interessiert.«
»So einfach ist das bestimmt nicht, aber es klingt, als könnte es Spaß machen. Ich muss deinen Roman lesen, wenn er draußen ist.«
»Ich glaube nicht, dass dir das Buch gefallen würde, Luca.«
»Warum nicht?«
»Na ja, Teile sind ein bisschen … gewagt.«
Luca sah sie mit großen Augen an. »›Gewagt‹?«
»Ja, es kommt ziemlich viel Sex vor.« Wieder wurde Abi rot.
Luca schmunzelte. »Und du meinst, das ist keine geeignete Lektüre für einen zukünftigen Priester?«
»Nein.«
»Auch als künftiger Priester bin ich noch Mensch und habe als Mann Gefühle wie jeder andere auch. Glaub ja nicht, dass ich in den letzten Jahren nicht an dich gedacht hätte. Denn das habe ich, und zwar ziemlich oft.« Er schob eine Gabel Risotto in den Mund. »Jetzt ist der richtige Augenblick, um dich um Verzeihung zu bitten. Das damals in Mailand war egoistisch. Ich habe mich von meinen Gefühlen für dich leiten lassen, obwohl ich wusste, dass nichts draus werden kann.«
Abi, in der kurz Hoffnung aufgeflackert war, ließ die Schultern hängen.
»Du darfst nicht so streng mit dir selbst sein, Luca. Und ich sollte mich dafür entschuldigen, dass ich dich überfallen habe, statt zu respektieren, dass du einen anderen Weg beschreiten möchtest. Dass du so oft in der alten Kirche warst, hätte mich stutzig machen sollen.« Sie versuchte, fröhlich zu klingen. »Stört’s dich, wenn ich rauche?« Sie nahm Zigaretten und Streichhölzer aus ihrer Tasche.
»Nein, nein.« Luca legte Messer und Gabel auf seinen Teller.
»Wie ist das Leben im Priesterseminar?«
Luca sah sie an. »Kannst du den Mund halten?«
»Klar.«
»Bitte sag Rosanna nichts davon. Ich möchte nicht, dass irgendjemand in meiner Familie davon erfährt.«
»Wovon?«
»Ich habe mir eine Auszeit genommen, um über meine Zukunft nachzudenken.«
»Heißt das, du spielst mit dem Gedanken, aus dem Priesterseminar auszutreten?«, fragte Abi erstaunt.
»Das habe ich nicht gesagt. Aber ich erlebe gerade eine spirituelle Krise, so nennt mein Bischof das zumindest. Offenbar passiert das vielen jungen Männern in der letzten Phase der Ausbildung. Nach der Euphorie der Entscheidung und den Jahren des Studiums kommen irgendwann die Zweifel.«
»Verstehe.«
»Ich bin der festen Überzeugung, dass ich auf diese Welt gekommen bin, um Gottes Werk zu tun. Ich möchte Menschen in Not, Armen und Leidenden, helfen und ihnen das Wort Gottes verkünden.«
»Genau das wirst du als Priester doch tun, oder?«
»Ja, aber …« Luca seufzte. »Die Kirche ist wie ein exklusiver Zirkel von Geistlichen. Wie in jedem Klub existieren schriftlich fixierte Regeln, Vorschriften, die einen manchmal daran hindern, das zu tun, was man für gut hält. Außerdem gibt es wie in jeder Organisation Machtkämpfe und Leute, die die Kirche als Möglichkeit verstehen, Karriere zu machen, und über Leichen gehen, um ganz nach oben zu kommen. Ganz zu schweigen von der Korruption.« Luca schwieg kurz, bevor er fragte: »Könnte ich eine Zigarette haben?«
»Ich dachte, du rauchst nicht mehr.«
»Nur noch ganz selten. Wahrscheinlich fühle ich mich gerade an die Zeit damals erinnert«, gestand er lächelnd, als er eine Zigarette aus der Packung nahm und Abi sie ihm anzündete.
»Was du sagst, überrascht mich. Ich dachte, Priester zu werden sei deine Berufung.«
»Das ist es auch, in einer idealen Welt. Aber diese Welt ist eben nicht ideal, weil sie von Menschen bevölkert wird. Wie der Herr selbst sind wir nicht perfekt. Deswegen habe ich Zeit zum Nachdenken erhalten, bevor ich den letzten Schritt zur Ordination tue. Anders als manche meiner Kollegen interessiert es mich nicht, nach oben zu kommen. Das würde mich nur noch weiter von dem entfernen, was ich machen möchte. Ich will nicht mit fünfzig hinter einem Schreibtisch im Vatikan sitzen, sondern draußen in der Welt Menschen helfen. Tut mir leid, ich langweile dich.«
»Überhaupt nicht. Ich finde es faszinierend«, widersprach Abi.
»Danke fürs Zuhören, das konntest du schon immer gut. Ich musste mit jemandem reden.«
»Jederzeit gern, Luca. Das weißt du.«
»Und was ist mit dir, Abi?«, erkundigte sich Luca und schenkte sich ein weiteres Glas Wein ein. »Bist du zufrieden mit deinem Leben?«
»Ich versuche immer, das Beste aus allem zu machen. Ich bin eine unverbesserliche Optimistin.«
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