Das italienische Maedchen
Sie zuckte mit den Schultern.
»Hast du jemanden zum Verlieben gefunden?«
»Ich hatte eine ganze Reihe Freunde und jede Menge Spaß. Aber irgendwann bin ich zu dem Schluss gelangt, dass ich nicht fürs Heiraten geschaffen bin und die Liebe zu viel Leid bringt. Anders als du bin ich nämlich ziemlich egoistisch.«
»Das finde ich nicht. Du bist mir und meiner Schwester eine gute Freundin.« Er beugte sich zu ihr vor. »Wie geht es Rosanna wirklich?«
»Sie ist tapfer und stark, eine gute Mutter und …«, Abi seufzte, »… eine sehr gute Schauspielerin. Leider liebt sie ihren nichtsnutzigen Ehemann noch immer.«
»Das glaube ich dir aufs Wort. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie meine Schwester sich mit elf Jahren in Roberto verliebt hat.«
»Der Grat zwischen Liebe und Hass ist sehr schmal. Vielleicht wird Rosanna ihn eines Tages hassen«, erklärte Abi.
»Und das könnte genauso schlimm werden wie die Liebe zu ihm.« Luca schüttelte müde den Kopf. »Das Schicksal ist schon etwas Merkwürdiges. Ich bin fest davon überzeugt, dass gewisse Dinge von Gott vorbestimmt sind, bevor wir unseren ersten Atemzug tun. Roberto Rossini würde Rosanna nur Probleme bereiten, das war mir von Anfang an klar. Ich habe viele Male darum gebetet, dass nicht ausgerechnet er sich für sie interessiert. Ich weiß Dinge von ihm … Tut mir leid, Abi. Meine Schwester ist mir wichtig, und es betrübt mich, dass sie Roberto liebt und ich ihr den Schmerz, der damit einhergeht, nicht ersparen kann. Aber wie gesagt, es scheint Schicksal zu sein.«
»Ja. Sie haben über ein Jahr nicht miteinander geredet. Möglicherweise freut es dich zu hören, dass sie einen Verehrer hat: Stephen, der Typ, dessen Vernissage sie heute Abend besucht. Er vergöttert Rosanna; welche Gefühle sie für ihn hegt, weiß ich nicht.«
»Das ist doch schon was. Spricht sie je davon, an die Oper zurückzukehren?«
»Bis jetzt nicht, nein.«
Luca schüttelte den Kopf. »Also ist es Roberto gelungen, ihr sogar das wegzunehmen. Begabungen wie die ihre sind rar. Leider scheint sie sie nicht mehr zu würdigen.«
»Eines Tages, wenn Nico größer ist, wird sie vielleicht wieder singen. Zum Glück ist sie noch jung. Und wenn sie mit Stephen zusammenkäme, würde der sie bestimmt ermutigen. Er ist ihr größter Fan.«
»Das mit Stephen klingt zu gut, um wahr zu sein«, bemerkte Luca schmunzelnd.
»Stimmt. Irgendeinen Haken muss die Sache haben.«
»Möglicherweise den, dass Rosanna seine Qualitäten nicht erkennt.« Luca zuckte mit den Achseln.
»Vermutlich. Egal, soll ich uns einen Kaffee machen?«
»Ja, gute Idee.«
Abi stand auf, um den Tisch abzuräumen. Als sie nach Lucas Teller griff, berührte er sanft ihren Arm.
»Danke noch mal fürs Zuhören, Abi.«
Abi trug die Teller in die Küche, füllte einen Krug mit Wasser, goss es in die Kaffeemaschine und schaltete sie ein. Dabei dachte sie über das nach, was er ihr gerade erzählt hatte, und überlegte, ob das etwas an ihrer Situation änderte. Wenn er sich der Sache mit dem Priesteramt tatsächlich nicht mehr sicher war, wäre doch …?
»Was soll’s«, murmelte sie, während der Kaffee in die Kanne tropfte. »Egal, was dabei rauskommt, Abi. Du lebst nur einmal.«
Als der letzte Gast die Galerie verlassen hatte, schloss Stephen ab und seufzte erleichtert.
»Ein Riesenerfolg, was?«, stellte Rosanna fest.
»Ja, zwölf von fünfzehn Gemälden reserviert. Ich werde der Künstlerin Feuer unterm Hintern machen müssen, damit sie schnell mehr malt.«
»Du warst toll.« Sie setzte sich auf einen Stuhl. »So nett zu allen, sogar zu denen, die feilschen wollten.«
»Kundenpflege gehört zum Geschäft. Noch Wein?« Stephen nahm eine Flasche von seinem Schreibtisch und füllte Rosannas Glas nach.
»Danke. Auf dich, Stephen, und die Galerie.«
»Ja, auf mich. Und auf dich, weil du heute Abend da bist.«
»Das war doch das Mindeste. Und es hat mir Spaß gemacht.«
»Wirklich?«
»Ja. Es war schön rauszukommen, auch wenn’s nicht ganz ohne Stress abgegangen ist«, gab sie zu. »Ich bin Small Talk nicht mehr gewöhnt.«
»Rosanna, alle haben dich ganz reizend gefunden. Jemand hat mich sogar gefragt, ob du meine Frau bist.« Stephen sah sie von der Seite an.
»Tatsächlich? Ich …« Sie stellte ihr Glas ab und stand auf. »Ich fahre jetzt lieber nach Hause. Abi und Luca fragen sich bestimmt schon, wo ich bleibe.«
»Natürlich. Ich bring dich heim.«
»Nein, ich nehme ein Taxi.«
»Sei nicht
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