Das italienische Maedchen
verrate.«
»Na schön. Von einem bekannten italienischen Kunsthändler namens Giovanni Bianchi. Warum fragen Sie?«
Luca schloss die Augen und schüttelte ungläubig den Kopf.
»Luca, sind Sie noch dran?«
»Ja, Stephen. Wir müssen reden.«
»Ich bin heute zum Abendessen bei Rosanna. Wenn ich ein bisschen früher komme, können wir uns unterhalten, während Rosanna Nico badet.«
»Gut, aber bitte kein Sterbenswörtchen zu Rosanna.«
»Natürlich nicht. Auf Wiedersehen, Luca.«
Luca legte auf, ging in die Küche und versuchte, den Gedanken zu verdrängen, dass seine geliebte Kirche und sein Land möglicherweise vor seiner Nase um einen unbezahlbaren Schatz gebracht worden waren.
41
Später am Nachmittag las Rosanna, während Nico und Ella schliefen, am Küchentisch den Brief, den Luca ihr von Carlotta gegeben hatte.
Vico Piedigrotta,
Neapel
Meine liebe Rosanna,
ich danke Dir von ganzem Herzen dafür, dass Du Ella bei Dir aufnimmst. Es bedeutet mir viel zu wissen, dass sie bei Dir in England ist, weit weg von dem, was gerade mit ihrer Mamma geschieht. Luca hat Dir sicher von meiner Krankheit erzählt und dass mir nicht mehr viel Zeit bleibt. Vergib mir, dass ich Dich nicht sehen möchte, Rosanna. Wenn der Tod unerwartet eintritt, kann man keine Entscheidungen mehr treffen; der einzige Vorteil meines langsamen Dahinsiechens ist, dass ich mein Ableben immerhin noch nach meinem Willen gestalten kann. Und ich möchte niemanden sehen. Schon bald werde ich an einem friedlichen Ort sein. Luca wird mir in meinen letzten Tagen beistehen.
Falls Du meinst, dass ich mich in den letzten Jahren nicht genug um den Kontakt mit Dir bemüht und Deine freundlichen Einladungen nach England ignoriert habe, bitte ich Dich, mir auch dafür zu vergeben. Leider kann ich es Dir nicht erklären. Unser aller Leben hat sich so anders entwickelt als erwartet, und offen gestanden fällt es mir schwer, Deines mit meinem zu vergleichen. Nun ist es heraus. Eines Tages wirst Du, wenn das Schicksal es so will, die ganze Wahrheit erfahren und alles verstehen.
Rosanna, möglicherweise fragst Du Dich, warum ich Ella nicht bei mir haben möchte. Mein Herz sagt mir, dass das die richtige Lösung ist, dass sie die Leiden ihrer Mutter nicht mit ansehen soll. Ich weiß, dass Du gut zu ihr sein wirst. Eine Weile wird sie sehr traurig sein, aber sie ist jung, und mit der Liebe, die Du ihr bestimmt gibst, wird sie sich im Lauf der Zeit erholen.
Zwei Dinge: Ich möchte nicht, dass Du mit Ella zu meiner Beerdigung kommst. Ich werde im engsten Kreis der Familie, nur in Anwesenheit von Papà und Luca, beigesetzt. Und – hoffentlich ist das nicht zu viel verlangt – Ella soll nach meinem Tod nicht nach Neapel zurückkehren, sondern bei Dir in England bleiben. Wenn sie hierher zurückkäme, würde sie das gleiche Leben wie ich führen müssen. Sie hat Besseres verdient, denn sie ist ein ganz besonderes Kind. Bitte sie doch eines Tages, für Dich zu singen.
Ich lege ihre Zukunft in Deine Hände. Ich habe ein wenig Geld gespart, das Dir mein Anwalt nach meinem Tod zukommen lassen wird, damit für ihren Lebensunterhalt gesorgt ist, und danke Dir im Voraus dafür, dass Du auf Ella aufpasst. Du wirst Dich gut um sie kümmern, das weiß ich.
Bitte sei mir nicht böse, wenn ich das sage, aber ich bin froh, dass Du Roberto verlassen hast. Er hat etwas Zerstörerisches, und egal, wie sehr Du ihn geliebt hast: Er würde Dir immer nur wehtun. Manche Menschen sind einfach so. Luca sagt, Du hättest jetzt einen anständigen Mann an Deiner Seite, der gut für Dich ist.
Lass Dir von Roberto nicht Deine Gabe nehmen. Du bist fürs Singen geschaffen! Du MUSST singen.
Auf Wiedersehen, Rosanna.
Ti amo,
Deine Schwester Carlotta
Rosanna ließ den Brief fallen und begann zu weinen.
»Rosanna?«
Als Rosanna den Blick hob, stand Ella vor ihr.
»Ich wollte dir nur sagen, dass Nico aufgewacht ist«, erklärte Ella. »Was ist denn?« Sie bemerkte den Brief auf dem Boden.
Rosanna hob ihn hastig auf. »Es tut mir leid, Ella, ich …«
»In dem Brief schreibt Mamma dir, dass sie nicht mehr lange hat, stimmt’s? Ich weiß, dass ich hier bei dir in England bin, damit ich nicht miterleben muss, wie sie stirbt. Mir ist klar, dass ich mich endgültig von ihr verabschiedet habe.« Ella begann zu schluchzen.
»Ja, Ella, und das ist schrecklich.« Rosanna legte die Arme um sie, schob sie zum Sofa und strich ihr die Haare aus dem Gesicht. »Ich weiß, wie schwierig das für
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