Das italienische Maedchen
nicht enttäuscht.«
»Stephen, ich will Sie nicht in einen Loyalitätskonflikt bringen.«
»Keine Sorge. Ich würde die Zeichnung auf jeden Fall gern genauer untersuchen und begutachten. Dabei könnte ich ein Foto für Sie davon machen. Wenn sich herausstellen sollte, dass es sich tatsächlich um Ihre Zeichnung handelt, muss ich Sie bitten, meinen Namen nicht zu erwähnen. In meiner Branche ist Diskretion das A und O.«
»Das versteht sich von selbst. Ich habe keine Ahnung, was ich machen werde, wenn es wirklich meine Zeichnung ist, aber ich muss die Wahrheit herausfinden. Danke, Stephen.«
»Keine Ursache. Mich interessiert die Sache auch.«
»Wann fahren Sie das nächste Mal nach New York?«
»Leider erst in ein paar Monaten. Im Moment habe ich zu viel in der Galerie zu tun. Frühestens Anfang Dezember. Außerdem wäre es merkwürdig, wenn ich schon so bald zurückkommen würde, um mir die Zeichnung anzuschauen. Ich habe einen weiteren Kunden in New York, für den ich ein Gemälde in Augenschein nehmen soll, was bedeutet, dass ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen kann. Ich würde Ihnen raten, sich fürs Erste wieder anderen Dingen zuzuwenden.«
»Ich versuch’s, aber …«
Stephen legte einen Finger auf die Lippen, als er sah, dass Rosanna und Ella das Wohnzimmer betraten.
Rosanna kuschelte sich im Bett an Stephen.
»Gott, bin ich müde«, erklärte sie gähnend.
»Ella hat heute Abend ein bisschen weniger traurig gewirkt«, bemerkte Stephen.
»Wir haben geredet. Sie weiß Bescheid über Carlotta, dass sie bald sterben wird und das der endgültige Abschied war. Carlotta hat mir einen sehr traurigen Brief geschrieben.«
»Das tut mir leid, Schatz.« Stephen zog sie näher zu sich heran. »Deine Schwester ist noch so jung. Manchmal fragt man sich wirklich, was für einen Sinn das Leben hat.«
»Ja. Carlotta möchte, dass Ella nach ihrem Tod bei mir bleibt.«
»Aha. Und wie stehst du dazu?«
»Natürlich nehme ich sie gern bei mir auf. Ella ist ja fast fünfzehn. In ein paar Jahren will sie bestimmt aufs College oder an die Uni. Was mich daran erinnert, dass ich mich bei den örtlichen Schulen erkundigen und einen Englischlehrer für sie finden muss, der ihr Privatunterricht gibt. Sie kann sich verständigen, doch wenn sie hier zur Schule gehen soll, wird sie Hilfe brauchen.«
»Ja.« Stephen strich ihr sanft übers Haar. »Aber darüber kannst du morgen weiter nachdenken.«
»Noch eins«, sagte Rosanna, als sie das Licht ausschaltete. »Kennst du einen guten Anwalt?«
»Ja.«
»Dann gib mir bitte seinen Namen und seine Nummer. Ich möchte die Scheidung einreichen.«
»Das ist ja mal eine gute Nachricht.« Stephen küsste sie auf die Stirn. »Liebes?«
»Ja?«
»Könntest du dir vorstellen, eines Tages mich zu heiraten, wenn du dich nun von Roberto scheiden lässt?«
»Lässt du mir Zeit für die Antwort, bis die Scheidung über die Bühne ist?«
»Natürlich. Ich wollte nur wissen, ob es im Bereich des Möglichen liegt.«
Rosanna streichelte seine Wange. »Ja, caro . Gute Nacht.«
Bevor Luca am folgenden Morgen nach Neapel aufbrach, wählte er vom Wohnzimmer aus Abis Nummer in London. Er war nervös, weil sie seit dem schmerzlichen Abschied von Manor House nicht mehr miteinander gesprochen hatten.
»Hallo?« Sie klang verschlafen.
»Abi, ich bin’s, Luca.«
»Luca, Schatz, wie geht’s dir?«
»So weit gut, danke. Sorry, dass ich mich nicht früher gemeldet habe, aber es war alles ein bisschen kompliziert.«
»Jetzt rufst du ja an, das ist das Wichtigste.«
»Ich wollte dir sagen, dass ich ein paar Wochen weg sein werde. Ich bringe Carlotta in ein von Nonnen geführtes Hospiz in der Nähe von Pompeji und begleite sie bis zum Schluss.«
»Die arme Carlotta. Und du tust mir auch leid. Wie fühlst du dich?«
»Das kannst du dir ja denken. Ich muss jetzt für meine Schwester stark sein. Sie wird meinen Beistand brauchen.«
»Sie kann sich glücklich schätzen, dich zu haben.«
»Ich melde mich wieder, wenn es … vorbei ist.«
»Ja. Aber …« Sie konnte es sich nicht verkneifen, ihn zu fragen. »Fehle ich dir?«
Er erinnerte sich an die glücklichen Sommertage voller Lachen und Liebe. Dann dachte er an das, was ihm in den folgenden Wochen bevorstand.
»Mehr, als du ahnst. Ciao, cara .«
42
»Mrs Rossini, vermutlich wird es Sie freuen zu hören, dass Ihr Mann Ihrem Scheidungsantrag nicht widersprechen wird.«
»Oh«, sagte Rosanna ein wenig traurig. Insgeheim hatte sie
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