Das italienische Maedchen
hätte unsere Schwester ihn in zwei Monaten endlich los.«
»Gott sei Dank. Sie sollte froh sein.«
»Ja, aber ich fürchte, sie liebt ihn nach wie vor.«
»Irgendwann wird sie ihn vergessen.« Carlotta versuchte, sich aufzusetzen. »Luca, würdest du noch was anderes für mich erledigen? Kannst du meinen Anwalt anrufen und ihn bitten, zu mir zu kommen? Ich muss noch ein paar Details regeln.«
»Das kann ich doch für dich machen. Dich strengt das zu sehr an.«
»Nein«, widersprach Carlotta. »Ich will ihn selber sehen.«
Als der Anwalt am folgenden Tag im Hospiz eintraf, bestand Carlotta darauf, dass Luca sie mit ihm allein ließ. Am Ende des Gesprächs reichte sie dem Anwalt einen Umschlag.
»Ihnen ist klar, dass niemand davon erfahren soll? Der Brief darf erst nach meinem Tod aufgegeben werden.«
»Ja, Signora«, antwortete der Anwalt.
»Bitte sorgen Sie dafür, dass das Schreiben mit dem Vermerk ›vertraulich‹ versehen und an die Met in New York geschickt wird. Die Leute dort kennen die Adresse, an die es weitergeleitet werden soll.«
»Das verspreche ich Ihnen.«
»Danke.«
Als der Anwalt gegangen war, sank Carlotta erschöpft in die Kissen zurück.
Mit dieser Entscheidung hatte sie in den vergangenen Monaten gerungen. Sie wollte ihrer Schwester nicht wehtun, aber, dass sie es endlich erfuhr.
Die bevorstehende Scheidung hatte den Ausschlag gegeben.
Schon bald würde Roberto wissen, dass er eine Tochter hatte.
Und Carlotta würde endlich ihren Frieden finden.
»Du hast meine Nummer in New York. Ruf mich an, falls es Probleme geben sollte.« Stephen küsste Rosanna auf beide Wangen.
»Wird es nicht«, versicherte Rosanna ihm.
»Zwei Wochen Trennung von dir erscheinen mir sehr, sehr lang«, flüsterte er und drückte sie fest an sich.
»Die sind schnell vorbei. Du wirst mit geschäftlichen Dingen beschäftigt sein und ich mit den Vorbereitungen für Weihnachten. Du musst jetzt los, sonst verpasst du den Flieger.«
Stephen stieg in seinen Wagen und ließ den Motor an. »Auf Wiedersehen, Ella, tschüs, Nico. Bis bald.«
»Würde es dir etwas ausmachen, einen Tag auf Nico aufzupassen, Ella? Ich muss meine Sachen aus London holen. Mein Anwalt meint, nächste Woche wäre gut, weil Roberto in New York ist. Und allein komme ich sehr viel schneller voran als mit Nico.«
»Selbstverständlich«, antwortete Ella.
»Bist du sicher? Ich kann am Samstag fahren, damit du keinen Unterricht verpasst.«
»Natürlich bin ich sicher. Nico mag seine Tante Lala doch, oder?« Ella drückte Nico an sich, der sich an sie kuschelte.
»Danke, Ella.«
»Alles in Ordnung?«, erkundigte sich Ella, als sie Rosannas Anspannung bemerkte.
»Ja.« Rosanna verließ die Küche und ging ins Arbeitszimmer, um eine Liste der Dinge zu erstellen, die sie abholen wollte.
Im Zug nach London dachte Rosanna, um sich von dem abzulenken, was sie in den folgenden Stunden tun musste, darüber nach, wie gut Ella sich eingewöhnt zu haben schien. Rosanna hatte sie in einer kleinen Privatschule im Nachbarort eingeschrieben. In den vergangenen beiden Monaten hatte sich ihr Englisch mithilfe eines Privatlehrers sehr verbessert, und sie hatte sich mit Gleichaltrigen angefreundet. Mit den Schularbeiten tat sie sich schwer, doch die Lehrer halfen ihr gern. Sie glaubten, dass ihr Englisch reichen würde, um im Sommer eine Reihe Prüfungen zu schaffen. In der folgenden Woche wollte Rosanna mit Nico das Weihnachtskonzert der Schule besuchen, bei dem Ella einen Soloauftritt haben würde, von dem sie ihrer Tante mit leuchtenden Augen erzählte.
Rosanna, die ihre Nichte bereits ins Herz geschlossen hatte, bewunderte ihren Mut und ihre Beharrlichkeit. Wenn Luca zweimal wöchentlich anrief, um zu berichten, wie es Carlotta ging, weinte sie zwar meist, aber ansonsten schien Ella sich in ihr Schicksal gefügt zu haben. Rosanna tröstete es, dass sie Luca erzählen konnte, wie gut Ella sich machte, weil das Carlotta beruhigte, die in den vergangenen Tagen immer wieder das Bewusstsein verloren hatte. Es würde wohl nicht mehr lange dauern, doch ihre Schwester schien bereit zu sein.
Als der Zug in Paddington Station einfuhr, suchte sich Rosanna eine Telefonzelle und wählte mit zitternden Fingern die Nummer des Kensingtoner Hauses, um sicherzugehen, dass Roberto nicht da war. Sie ließ es gut zwei Minuten lang klingeln, bevor sie auflegte und sich mit einem Lächeln bei dem ungeduldig hinter ihr wartenden Geschäftsmann entschuldigte, der das
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