Das italienische Maedchen
den Gedanken gewöhne, weiß ich, dass es so vorbestimmt ist.«
»Was?«
Als Rosanna seinen verwirrten Gesichtsausdruck sah, schmunzelte sie. »Luca, ich bin schwanger. Das Kleine soll im November kommen. Ich habe Carlotta geschrieben, dass sie Tante wird, und sie um Ratschläge für die Schwangerschaft gebeten. Außerdem habe ich mir gedacht, dass sie in London Urlaub machen könnte. Roberto muss einen Monat lang nach New York, und in der Zeit bin ich allein. Was hältst du von der Idee? Du wirst Onkel. Und Patenonkel«, fügte sie hinzu.
Als Luca schwieg, runzelte sie die Stirn.
»Du freust dich doch für mich, oder?«
»Natürlich. Es ist wunderbar.«
»Freust du dich wirklich? Du siehst nicht so aus.«
»Tut mir leid.« Luca rang sich ein mattes Lächeln ab. »Ich kann mir nur meine kleine Schwester nicht so recht als Mutter vorstellen.«
»Ich bin vierundzwanzig, Luca, alt genug, finde ich.«
»Und Roberto? Freut er sich?«
»Ich habe ihn nie glücklicher erlebt. Ich hatte Angst, dass er böse sein könnte, weil das Kind nicht geplant war, aber er ist aufgeregter als ich. Er kann es noch gar nicht fassen, dass er mit einundvierzig zum ersten Mal Vater wird.«
»Ist Roberto dir ein guter Ehemann?«
»Ich könnte mir keinen besseren wünschen. Ich weiß, dass alle gegen unsere Ehe waren, doch er ist ein vollkommen anderer Mensch geworden. Jeden Tag danke ich Gott aufs Neue dafür, dass er ihn mir geschickt hat. Und jetzt für das Baby. Auf uns liegt der Segen Gottes, Luca.«
»Du sagst, er muss im letzten Monat deiner Schwangerschaft nach New York.«
»Ja. Das ist traurig, aber nicht zu ändern. Deswegen habe ich mir gedacht, Carlotta könnte mich besuchen. Ich habe sie so lange nicht gesehen. Sie würde wissen, was zu tun ist, wenn das Kleine kommt.«
Luca wählte seine Worte mit Bedacht. »Ich kann nicht für Carlotta sprechen, glaube jedoch, dass es schwierig für sie wäre. Sie muss sich um Ella, Papà und das Café kümmern.«
»Ja, natürlich, aber sie braucht auch hin und wieder eine Verschnaufpause. Meinst du, sie ist zufrieden mit ihrem Leben?«
»Ich glaube, sie hat sich mit ihrem Schicksal abgefunden.«
Rosanna wandte den Blick ab. »In unserer Jugend war sie so lebhaft und schön. Nach der Hochzeit mit Giulio und der Geburt von Ella hat sie sich verändert. Hoffentlich geht es mir nicht genauso.«
»Manchmal verändern uns Dinge auf höchst unerwartete Weise, piccolina . Denk nur an deine Begegnung mit Roberto.«
»Findest du, dass er mich verändert hat?«
»Dein Leben auf jeden Fall. Du warst lange nicht in Italien. Gibt es einen Grund dafür?«
»Ich … Ja, Roberto kann nicht …« Rosanna schüttelte den Kopf. »Das ist eine lange Geschichte. Ich musste bei Roberto bleiben. Deshalb bin ich nicht nach Mailand gefahren, um die Mimì in der Bohème zu singen. Ich habe immer noch ein schrecklich schlechtes Gewissen, weil ich Paolo im Stich gelassen habe, aber mir ist nichts anderes übrig geblieben.«
»Dann habe ich also recht. Die Ehe mit Roberto hat dich verändert. Es steht mir vielleicht nicht zu, dir das zu sagen, aber du solltest nicht alle andern aus deinem Leben verbannen, Rosanna. Deine Familie liebt dich, und ich weiß, dass Papà verletzt ist, weil du ihn seit deiner Hochzeit nicht mit Roberto besucht hast. Er wird auch nicht jünger.«
»Ich weiß, Luca.« Rosanna seufzte. »Mir fehlt meine Familie auch, aber abgesehen von allem anderen hatten wir einen sehr vollen Terminplan. Ich möchte so vielen Leuten schreiben. Wenn Ende Juli die letzten Aufführungen der Bohème vorbei sind, werde ich endlich Zeit haben, das zu machen. Und wenn das Kleine auf der Welt ist, fliege ich vielleicht nach Italien und besuche Papà und Carlotta. Doch jetzt hast du bestimmt Hunger.«
Rosanna holte Aufschnitt, Pastete und einen Salat, den sie vorbereitet hatte, aus dem Kühlschrank. Luca sah ihr zu, wie sie den Tisch deckte und Brot von einem Laib abschnitt. Er kannte seine Schwester zu gut, um sie weiter nach Roberto zu befragen.
»Hast du noch Kontakt zu Abi?«, erkundigte er sich, als sie ihm gegenüber Platz nahm.
»Komisch, dass du das erwähnst. Heute habe ich eine Postkarte von ihr bekommen«, antwortete sie und schob ihm die Salatschüssel hin. »Sie ist im Moment in Australien und möchte anschließend nach Asien. Sie schreibt, sie wird im Herbst in London sein. Ehrlich gesagt habe ich mich nicht so intensiv um den Kontakt mit ihr bemüht, wie es möglich gewesen wäre.
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