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Das Jahr auf dem Lande

Das Jahr auf dem Lande

Titel: Das Jahr auf dem Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott
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aufnahmebereites Herz. Er war nicht allein mit seiner Liebe zu diesem Wald. Auch die Leute aus Eldado und den umliegenden Farmen kamen gern und oft hierher. Er fand viele Radspuren im weichen dunklen Erdreich, und jeden Augenblick konnte er einen idealen Picknickplatz entdecken. Das tiefe Tal, das er in einer Minute sehen würde, wäre so ein idealer Platz, und er beschleunigte seine Schritte. Ein wenig atemlos stand er dann auf dem Gipfel. Plötzlich erschauerte er, denn eine große Ratte huschte über seinen Schuh hinweg und verschwand dann im Gebüsch. Adrian mochte Ratten nicht, aber er beruhigte sich wieder. Das war ja keine ekelhafte Haus-, sondern eine Buschratte, deren gutes Recht es war, hier zu leben. Diese Ratten waren schon durch diesen Wald gerannt, bevor der erste Mensch seinen Fuß hineingesetzt hatte. Adrian fühlte sich bei diesem Gedanken getröstet und blickte in das Tal hinab, das vor ihm lag.
    Es war ein Augenblick vollkommener Stille, und dann sprach Adrian — nicht nur laut, er schrie geradezu. »Großer Gott, was haben sie denn da gemacht?« Und dann schloß er die Augen, ein verzweifelter, geschlagener Mann.
    Denn das kleine Tal bot nicht den bezaubernden Anblick, den er erwartet hatte. Es war grausig anzusehen, und es stank. Müll bedeckte die Hänge gegenüber, das Gras verschwand unter Massen leerer Blechdosen, zerbrochener Bretter, alter Teppiche, und sogar eine alte Blechbadewanne rostete trübsinnig vor sich hin. Mit Entsetzen erkannte Adrian, daß die Müllhalde von Eldado vor ihm lag, daß die vielen Wagenspuren nicht zu hübschen Picknickplätzen führten, sondern zu diesem gräßlichen kleinen Tal, wo die Dorfbewohner und Farmer ihren Abfall deponierten.
    Adrian schlug die Augen wieder auf und starrte in schaudernder Faszination auf das grausige Bild, das sich ihm bot. Da hatten sie doch tatsächlich dieses wunderbare Tal mißbraucht, um hier die Sachen abzuladen, die sie nicht mehr haben wollten. Sogar ein altes Klo thronte auf dem Müllhaufen und schien Adrian spöttisch anzugrinsen, und vor einem Berg von verfaulten Essensresten hockten zwei große dicke Ratten. Fröstelnd erinnerte er sich an das Vieh, das ihm vorhin über den Schuh gerannt war. Das war keine saubere Buschratte gewesen, unattraktiv, aber mit gesundem Lebensstil. Nein, das Tier war auf dem Weg zu dieser Mistgrube gewesen.
    Er wandte sich ab und fand keine Freude mehr an dem unverdorbenen Wald, der zwischen ihm und dem Dorf lag. Die Schönheit des Waldes endete abrupt in Schmutz und Verfall. Traurig trat er den Rückweg an, starrte erbost auf die Wagenspuren, die ihn zuvor so entzückt hatten. In diesen Autos hatten keine Naturfreunde gesessen, sondern brutale, phantasielose Geschöpfe. Und da Adrian zu Extremen neigte, verdammte er sie alle rückhaltlos.
    Er flüsterte Worte vor sich hin, die seine Freunde in Eldado schockiert hätten, gab ihnen alle Schimpfnamen, die ihm nur einfielen. Er war außer sich vor Wut, und es war nur gut, daß er einen langen Marsch vor sich hatte. So konnte er sich ein bißchen abreagieren, bevor er zu Mavis in den Laden zurückkehrte.
    Sie blickte nur kurz von dem Paket auf, das sie gerade verschnürte. »Nun, war es schön? Du siehst ja ganz erschöpft aus.«
    »Ich bin nicht erschöpft«, erwiderte Adrian mit mühsamer Beherrschung. »Ich bin wütend.«
    Mavis legte das Paket beiseite und sagte besorgt: »Ich glaube, jetzt hast du diesen ekligen Bazillus doch noch aufgefangen. Du hättest vorsichtiger sein müssen.«
    Dieser Angriff auf seine göttergleiche Immunität irritierte ihn, aber er riß sich zusammen und sagte mit ruhigerer Stimme: »Ich bin den Wagenspuren gefolgt und durch einen wunderbaren jungfräulichen Wald gegangen, etwa zwei Kilometer weit. Und dann kam ich zu dieser verdammten Müllhalde. Ich habe einen Schock erlitten.«
    Mavis lächelte erleichtert, und dann sagte sie: »Oh, da bist du in die falsche Richtung gegangen. Es gibt zwei Wege am Fuß des Hügels, und du hättest nach rechts gehen müssen, nicht nach links. Schade! Nun hast du dir deine schöne Wanderung verpatzt. Ich hätte dich warnen sollen. Na ja, Hauptsache, du hast keine Grippe.«
    »Es war viel schlimmer als Grippe. Außerdem habe ich dir ja gesagt, daß ich immun gegen Grippeviren bin. Aber diese Müllhalde verschandelt die ganze Landschaft. Da sieht man wieder einmal, was der Mensch der Natur alles antun kann.«
    Mavis lächelte nachsichtig und sagte, sie würde ihm jetzt eine Tasse Kaffee

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