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Das Jahr der Kriesen

Das Jahr der Kriesen

Titel: Das Jahr der Kriesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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veschwand. Stanley warf seine Zigarette auf den Laborboden und trat sie heftig aus. Jetzt erfahren wir die Wahrheit, das war ihm klar. Aber wir sind auf jeden Fall die Dummen, ob wir nun versagt haben oder erfolgreich waren.
    Minuten vergingen.
    Der Ingenieur erschien wieder und rief nach ihm. »Mr. Stanley, würden Sie bitte einmal hierherkommen?«
    Stanley marschierte mit weichen Knien zu der Röhre. »Wie sieht es da drinnen aus?«
    »Der Riß ist jetzt groß. Dreieinhalb, vielleicht viermal so groß.«
    Stanley fühlte sich schlaff, als die Spannung in seinem Körper nachließ und sagte: »Schön. Dann können wir jetzt nach Hause gehen, wo wir hingehören.«
    »Ich möchte, daß Sie zuvor durch den Riß schauen«, sagte der Ingenieur.
    »Warum?« Er sah keinen Sinn darin.
    Der Ingenieur sagte: »Nur schauen, okay? Um Himmels willen – wollen Sie bitte schauen, Mr. Stanley?«
    Er schaute.
    Durch den Riß in der Röhrenwand sah er keine Wiese und keinen ultramarinblauen Himmel, keine weißen Blumen und auch keine summenden, trägen Bienen, die sich an sie heranmachten. Und er sah keine Spur von den Menschen. Nichts von den Tonnen von Ausrüstungsgegenständen, die durch den Riß geschafft worden waren. Keine Zelte. Keine provisorischen septischen Tanks. Keine improvisierten Garküchen und Laternen. Statt dessen sah er – und konnte zuerst gar nicht akzeptieren, daß er dies sah – eine sumpfartige Fläche, nebelgrau und untermalt vom hohlen Krächzen einiger ferner Vögel. Er sah Schilf aus dem zähflüssigen, gelben Wasser ragen, das in Tümpeln ausgebreitet war. Plötzlich bewegte sich eine Schlange, wand sich ihren Weg durch den abgestandenen Schlamm. Und drüben, auf der rechten Seite, brachte sich ein kleines, lebendes Wesen mit einem kahlen Schwanz unter einer rissigen, haarigen Masse von Wurzeln in Sicherheit.
    Die Luft roch nach Zerfall und stillem, vollkommenem Tod.
    Stanley zog sich aus der Porter-Röhre zurück und sagte heiser: »Es ist nicht derselbe Ort.«
    Der Chefingenieur nickte stumm.
    »Es ist ein Sumpf, sagte Stanley. »Mein Gott, was für eine verdammte Katastrophe. Können Sie sich einen Reim darauf machen? Wir stellen besser sofort wieder die ursprüngliche Energiezufuhr her. Offenbar kann man die Leistung nicht erhöhen und dieselben Ergebnisse bekommen, nur eben mehr davon, sondern man bekommt dies hier, was immer es auch sein mag.« Er sah noch einmal hin. All seine Entschlossenheit war erforderlich, um es nur anzusehen, ganz zu schweigen davon, sich durch den Riß und tatsächlich hinüberzuwagen. »Ich denke, ich verstehe«, sagte er murmelnd zu sich selbst. »Es gibt nicht bloß eine Alternativ-Erde, nicht nur ein Parallel-Universum, oder wie immer man es nennt – es gibt mehrere, und warum wir diesen Faktor nicht mit in unsere Planung einbezogen haben, werde ich nie verstehen. Wir werden diesen Fehler nie wieder machen.«
    »Das meine ich auch«, sagte der Ingenieur neben ihm. Er starrte ebenfalls hinüber.
    »Denken Sie, wir können die ursprüngliche Energiezufuhr wiederherstellen und wieder dorthin eine Verbindung schaffen, wo wir diese Leute ausgesetzt haben?«
    »Wir können es versuchen.«
    »Wir müssen«, sagte Stanley. »Sie wissen, wer den Ärger bekommen wird – wir werden ihn bekommen. Machen Sie sich sofort an die Arbeit. Wir werden den Rest der Nacht durcharbeiten.« Gott, dachte er. Was soll ich bloß dem alten Turpin erzählen? Nichts. Wenn wir diese Sache wieder zusammenflicken können, werden wir dafür sorgen, daß sie für immer vergessen wird. Als wäre es nie passiert.
    »Ich denke nicht daran, daß uns die Schuld in die Schuhe geschoben wird«, sagte der Chefingenieur. »Ich denke an diese Leute, besonders an die Frauen, die dort festsitzen.«
    »Ihnen wird es gutgehen! Sie haben Vorräte. Sie sind hinübergegangen, um sich dort anzusiedeln, also sollen sie es tun. Es war ihre Idee hinüberzugehen, sie wußten, daß sie ein Risiko eingehen. Es war auf ihre eigene Verantwortung. Also – immer mit der Ruhe.« Er zog sich zitternd in den Porter zurück. »Mann, was für ein grauenhafter Anblick. Da sehe ich keine Möglichkeit der Ansiedlung. Was meinen Sie, Hal, würden Sie gern da drüben leben?«
    »Nein, Mr. Stanley«, sagte der Ingenieur. Er erhob sich steif auf die Füße und winkte dem Team, das vor der Eingangsschlaufe stand. »Abschalten!«
    Die Energie versiegte. Stanley ging wieder aus der Röhre hinaus und zu Howard hinüber. »Jetzt müssen wir

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