Das Jahr der Maus
oder die Philippinen, Süditalien oder Mexiko. Aber nicht bei uns, schönen Dank, lieber Gott. Sicher, wir haben unsere kleinen Probleme, aber Vulkane stehen nicht auf der Liste.
Jetzt ist die Liste einen Punkt länger.
Der erste Vulkan – der einzige, der sich bisher einen richtigen Vulkankegel aufgebaut hat – war ein paar Tage nach dem großen Yucaipa-Erdbeben an der Freeway-Kreuzung bei Pomona aufgetaucht. Zuerst ertönte ein Donnergrollen, was in Südkalifornien alles andere als normal ist, der Boden bebte und wölbte sich auf, bildete eine zwei bis drei Meter hohe Blase, die den Freeway in Stücke brach, als hätte King Kong ihm von unten einen Fausthieb verpaßt, und Rauch und feiner Staub schoß aus dem Boden. Danach kam ein Zischen, das man bis nach Long Beach hören konnte, und es hagelte glühend heiße Steine, ein ziemlich gutes Anzeichen dafür, daß dies nicht nur ein Nachbeben von Yucaipa war. Als nächstes folgten die giftigen Gase, ein Schwall aus blauem Dunst, der auf der Stelle ein halbes Dutzend umstehender Zuschauer tötete; anschließend stieg eine dicke Säule schwarzer Asche auf, geschmückt von Lichtblitzen; und dann, sieben oder acht Stunden später, begann die Lava zu strömen. Der Himmel war die ganze Nacht über taghell von den Ausbrüchen leuchtender Gase und geschmolzenen Gesteins. Am nächsten Morgen befand sich ein zwölf Meter hoher Vulkankegel an der Stelle, wo vorher die Kreuzung gewesen war.
Wenn das alles gewesen wäre, nun, dann hätte man es sich an den nächsten paar Abenden in den Nachrichten angesehen, danach wären die Katastrophenschutzteams der Regierung gekommen, die Menschen in den umliegenden Wohnvierteln wären umgesiedelt worden und National Geographic hätte einen Artikel über die Eruption gebracht, irgendwer hätte einen gemeinsamen Klageantrag eingereicht, daß der Gouverneur, der Präsident oder sonst jemand es versäumt hätte, die Hauskäufer ordnungsgemäß davon in Kenntnis zu setzen, daß es in Pomona Vulkane geben könnte, die religiösen Spinner in Orange County hätten über Sünde und Reue salbadert, das betroffene Gebiet wäre nach einer Weile eine neue Touristenattraktion geworden, der Vulkan-Nationalpark von Pomona oder so, und im übrigen Los Angeles wäre das Leben weitergegangen wie jedesmal, wenn die letzte Katastrophe zum Schnee von gestern geworden war.
Aber die Sache in Pomona war erst der Anfang.
Die riesige Magmasäule, die aus Westen auf einer langen, schrägen Bahn aus den Tiefen der Erde heraufquoll, begann auch an vielen anderen Stellen auszutreten. Sie sorgte dafür, daß ein breiter, annähernd dreieckiger Streifen, der im Osten vom Orange Freeway, im Norden von Las Tunas Drive und dem Arrow Highway, im Süden vom Pomona Freeway und im Westen vom San Gabriel Boulevard eingefaßt wurde, einen Anfall feuriger Akne bekam. In der betroffenen Zone selbst konnte alles passieren. Vulkanische Schlote taten sich völlig willkürlich und ohne jedes System auf. Lavaströme von der Größe kleiner Bäche entsprangen in den Garagen oder den Wohnzimmern der Leute. Fumarolen sprossen in Vorgärten aus der Erde und erfüllten die ganze Gegend mit Rauch und Asche. Häuser erhoben sich vom Boden, weil sich unter ihnen Buckel im Erdreich bildeten. Ein Glutfinger unterirdischer Hitze sauste durch eine Straße und briet die Wurzeln sämtlicher Bäume und Büsche in den Gärten, ohne den Häusern irgendwelchen Schaden zuzufügen. All das wurde von nahezu täglichen Erdbeben begleitet – keinen großen, nur nervenaufreibenden kleinen Rüttlern von 3,9 oder 4,7, die einen vor Angst verrückt machten, daß irgendwas Gigantisches folgen würde. Dann beruhigten sich die Dinge für ein paar Wochen; und anschließend ging es wieder los, schlimmer als zuvor.
Nicht alle Lava-Ausbrüche waren Kinkerlitzchen im Garagenformat. Ein paar Spalten öffneten sich über eine Distanz von drei Häuserblocks und spuckten breite Ströme geschmolzener Materie aus, die sich wie Flüsse durch Hauptstraßen wälzten. Daraufhin tauchten die Isländer auf, um die Angelenos darin zu beraten, wie man die Lava mit Schläuchen abkühlen konnte. Teams wie das von Mattison wurden zum Bau von Lavadämmen eingesetzt, die manchmal quer über große Straßen verliefen, so daß der Strom hinter dem neuen Stein gestaut wurde und nicht in die Kleinstädte im Westen weiterfloß – oder vielleicht sogar direkt nach Los Angeles hinein, in die große Stadt selbst, die immer noch weit
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