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Das Jahr der Maus

Das Jahr der Maus

Titel: Das Jahr der Maus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Existenz und Wahrheitsgehalt – höchst widerstrebend, aber immerhin – eingeräumt.
    Mit gewissen Vorbehalten natürlich.
    So sei die Physis des Menschen, seine sterbliche, irdische, fleischliche Hülle zwar über Millionen Jahre hinweg aus niedereren Formen, aus Vorstufen der Gattung der Hominiden entstanden. Aber schließlich, irgendwann, hat der göttliche Atem, jener ominöse Funke also, dem Menschen eine Art Seele eingehaucht und damit Vernunft und Verstand, Intelligenz und vor allem Gottesfurcht und Demut in sein Bewußtsein gepflanzt.
    Dabei ist sehr zum Leidwesen der naiven Gläubigen im sogenannten ›Bible-Belt‹ des Mittleren Westens der USA die Mär von der Erbsünde auf der Strecke geblieben, was eine ›Erlösung‹ der Menschheit durch den Opfertod am Kreuz eigentlich überflüssig macht.
    Darüber müssen sich die Theologen nun den Kopf zerbrechen. Das ist nicht mein Revier.
    Ich, jedoch, habe die Menschliche Seele, diesen göttlichen Funken, das Gen-der-menschlichen-Vernunft gesucht und gefunden.
    Ich habe es in Form eines spezifischen, sehr kurzen, sehr banalen DNS-Segments isoliert und in das Genom von Schimpansen eingeschleust und das mit einem frappierenden Ergebnis.
    Wie Kernforscher in den gewaltigen Zyklotronen und Beschleunigern, in Fermi-Lab und in CERN, aus gewaltigen Mengen zugeführter Energie Materie zu erzeugen in der Lage sind, und damit die ersten Augenblicke des Big-Bang simulieren, der das Universum in seiner materiellen Form entstehen ließ. So habe ich erfolgreich den Quantensprung in der Mikrobiologie simuliert:
    Den Sprung von primitiver Existenz zu höherer Sittlichkeit und intellektueller Reife.
    Vom unbewußtem, ungeplantem Dahinvegetieren zu einem Leben in Anmut und Würde.
    Vom tierischem Trieb zum idealistischen Denken in einer freiheitlich-moralischen Wertewelt im Dualismus zwischen Pflicht und Neigung.
    Vom simplen Zwang des Nahrungserwerbs als physische Notwendigkeit hin zur Erkenntnis einer möglichen spirituellen Realität, in der die zeitlose Form des Guten, Schönen, Wahren und Edlen sich zur Maxime entwickeln kann – besser: könnte – als eigentliche Bestimmung des Menschseins zwischen Berufung, Schicksal und Selbstfindung.
    Ich hoffe, Sie können mir und der groben Skizzierung meiner Absichten folgen.
    Halten wir fest: Nur um lächerliche 1,4 Prozent unseres Erbguts, des genetischen Codes der DNS in den Chromosomen, also im Kern unserer Zellen, unterscheiden wir uns von unseren nächsten, tierischen Verwandten, den gewöhnlichen Schimpansen.
    Von diesen 1,4 Prozent entfällt das meiste auf Struktur-Gene für das äußere Erscheinungsbild, für die ordinäre Behaarung also, den gedrungenen Körper mit den überlangen Armen, die Schädelform mit der niederen Stirn, den krummen, schleppenden Gang.
    Nur ein verschwindend kleiner und gezielter Rest von weniger als 0,2 Prozent, über etliche hunderttausend Jahre entstanden, oder besser modifiziert, hat das primitive Affenhirn der erwähnten Vorstufen zu unserem geistreichen und mit Verstand begnadeten Menschenhirn gemacht, hat Sprache und abstraktes Denken hervorgebracht.
    Zwar ist unseres viermal größer, aber das kleinere Schimpansenhirn genügt vollauf, um qualitativ die gleichen Aufgaben zu erledigen wie das unsere, das ja nur zu einem peinlich geringen Teil seine Ressourcen nutzt.
    Der Rest wartet offenbar immer noch auf Aufgaben, die uns bisher nie gestellt wurden.
    Was dem Schimpansenhirn fehlt, das habe ich ergänzt, und zwar mit der gleichen Manipulation, die ich bei der In-vitro-Zeugung meiner vernunftbegabten Schimpansen-Mutationen vorgenommen habe:
    Einschleusung, sogenannte Transfektion, von spezifischen DNS-Strukturen aus dem Genmaterial von Menschen während der Keimblattphase der embryonalen Entwicklung mit Hilfe von defekten, ringförmigen Virus-Phagen als Vektoren.
    Ich will Sie nicht mit gentechnischen Details ermüden.
    Aus dem gereinigten DNS-Strang des menschlichen Genoms eines auserwählten Spenders, nämlich: weißkaukasische Rasse, Akademiker mit zahllosen Titeln und höchstem IQ, zerlege ich durch Restriktionsenzyme ein bestimmtes Segment in eine Anzahl linearer Einzelstücke und isoliere dabei das gesuchte Fragment mit dem Gen-für-die-menschliche-Vernunft.
    Eingeschleust in die Keimzellen von Pan troglodytes und Pan paniscus entstanden so, über die letzten Jahre und Jahrzehnte hinweg, Schimpansen mit höchst erstaunlichen, menschlichen Eigenschaften.
    Ausgewildert in das Hochland von

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