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Das Jahr der Maus

Das Jahr der Maus

Titel: Das Jahr der Maus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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dauerte eine Dreiviertelstunde.
    Joey tat gern so, als sei er groß genug, um allein unterwegs zu sein und setzte sich ein paar Sitze von ihr entfernt hin. Ständig drehte er sich zu ihr um, grinste und schlenkerte mit den Beinen. Er hatte ein hübsches Gesicht, einen rosigen Teint, karottenrotes Haar und große blaue Augen. Alle Kinder waren schön. Und was wurde aus den Erwachsenen? Während der Fahrt konnte sich Billie nicht entspannen; Kinder mußte man dauernd beaufsichtigen, einsperren, überwachen.
    Die Bibliothek besaß einen Leseraum für die Kleinen, zu dem Erwachsene keinen Zutritt hatten.
    »Und es kommt wirklich keiner rein?« vergewisserte sich Billie ängstlich. Sie wollte auf Nummer Sicher gehen.
    Zur Unterhaltung der Kids gab es Walt Disney-Videos, weil man wohl davon ausging, daß Bücher die Gören nur langweilten. Zum Zugucken setzte sich Joey auf einen blauen Knautschsessel, abseits von den anderen Kindern. Kein einziges Mal blickte er sich zu Billie um.
    Spirit Management war in Bonn registriert, ausgerechnet. Die Firma besaß eine Reihe von Tochtergesellschaften, die über die ganze Europäische Gemeinschaft verteilt eingetragen waren. Hush Hush Services, Desperate Dan Buch Cosmetics – gehörte das etwa auch zu dem Imperium? Moment mal! Der Kosmetikfirma gehörte ein Anteil von Songfeast International, ein Musikverlag, der ausschließlich Eamon Strafe zu veröffentlichen schien. Hatte Eamon mit Kosmetik für Männer angefangen? Songfeast wiederum war eingegliedert in ein neues Unternehmen Haskell Holdings.
    Das war äußerst aufschlußreich. Die Firmen waren allesamt ineinandergeschachtelt. Gänzlich verschiedene Unternehmen besaßen dieselbe Adresse. Allmählich konzentrierte sich das Ganze jedoch auf Haskell Holdings und Spirit Management. Auf ihrem Küchentisch zeichnete Billie einen Stammbaum.
    Sie stellte sich all diese Menschen vor, die Direktoren, die in den unterschiedlichen Firmen saßen und sich gegenseitig kontrollierten. Steckst du tatsächlich in diesem Knäuel drin, Eamon? Bedarf es so vieler Manager, um einen einzigen Mann zu lancieren? Und was ist mit deinen Fans?
    Gemeinsam mit Joey sah sie sich den Stammbaum an. Er malte ihn mit Buntstiften aus, und sie fand die farbigen Kringel tröstlich. Etwas störte sie. Heutzutage kam es die Betriebe billiger, wenn sie Freiberufler für sich arbeiten ließen. Kein Krankengeld, keine Rentenleistungen. Billie kam ja auch selbst für alles auf. Die Zeitungen klagten dauernd, daß es den klassischen Unternehmertyp gar nicht mehr gäbe, aber in diesem Fall schien er von den Toten auferstanden zu sein.
    »Ist das ein Computerspiel?« fragte Joey.
    »Ja«, antwortete sie.
    »Was hast du jetzt vor?« wollte er wissen.
    »Ich werde bei einer von diesen Firmen anklopfen«, erwiderte sie.
    Billie arbeitete bis spät in die Nacht hinein, als Joey schon schlief. Sie forderte die CD auf: »Scanne den CD-Speicher, aber rufe kein Simulationsprogramm ab.«
     
    KEIN SPEICHER FÜR GESCHÄFTLICHE TRANSAKTIONEN VORHANDEN
     
    »Sammle und kopiere alles verfügbare Material«, befahl sie dem Computer. Der Teil von Eamon, der alles über Musikverlage wußte, wurde auf ihre Festplatte kopiert.
    Dann traf sie eine Entscheidung. Sie wählte Memison. Der Name tauchte in einem von Eamons Songs auf, und es war die einzige Firma, die sich nicht mit anderen Sparten zu befassen schien, wie der Herausgabe von Büchern, Marktforschung oder der Entwicklung von elektronischem Gerät. Memison produzierte Musik und war in Irland angemeldet.
    Ohne den Transceiver mußte sie das Modem benutzen. Sie holte tief Luft und rief Memison an. Die erste Antwort dieser Firma lautete:
     
    SAG BITTE HALLO
     
    »Hallo«, sagte Billie. Es tat sich weiter nichts. Dann erschien die Aufforderung:
     
    DU DARFST EINE NACHRICHT HINTERLASSEN
     
    Billie wollte keine Nachricht hinterlassen, sie wollte Eamon erreichen. Sie wollte endlich wissen, wo er sich wirklich aufhielt. Sie brauchte einen Zugang zu dem System.
     
    PASSWORT EINGEBEN
     
    Das war’s dann also. Man hatte sie schon wieder mattgesetzt. Billie starrte auf den Bildschirm. Wenn sie jetzt eine Nachricht hinterließ, würde man dann herausfinden, daß sie versucht hatte, in ihr System einzudringen? Gib’s auf, Billie.
    Plötzlich mischte sich ihr eigenes Gerät ein.
     
    BITTE WARTEN. BIN DABEI, EIN PASSWORT EINZUGEBEN
     
    Das darf doch nicht wahr sein, staunte Billie. Das Ding ist doch blockiert. Buchstabenfolgen flitzten

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