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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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Glaubst du, ich sei jetzt in Partystimmung?« Ich senkte die Stimme zu einem Murmeln. »Ich will jetzt keine Musik hören.«
    »Aber für das
Scheiß auf Elvis
solltest du dich entschuldigen. Das hat mir nämlich wehgetan.«
    Für einen Moment schloss ich die Augen, hätte sie am liebsten mit Leim verklebt, hätte auch gern die Ohren und den Mund verklebt, um den Rest meines Lebens in vollkommener Einsamkeit zu verbringen. Dieser Fred! Betrachtete immer noch alles aus der naivromantischen Sicht, das große Abenteuer, der Traum seiner Kindheit, hatte ihn gefunden. Diese Erkenntnis stimmte mich traurig, da ich fürchtete, unsere Freundschaft könne daran zerbrechen.
    Doris verhielt sich erwartungsgemäß. Oder vielmehr: Sie reagierte um einiges schroffer als erwartet. Anfangs noch mehr oder weniger meinen Vorstellungen durchaus entsprechend: Mit offenem Mund nahm sie die Nachricht auf, ließ sie durchs Großhirn wandern und gönnte sich nebenbei einen guten Schluck Bourbon – dann knallte sie das Glas auf den Küchentisch, ihre Miene verzerrte sich von einem Moment auf den anderen.
    »Ihr seid vollkommen übergeschnappt!«, schrie sie. »Ihr Armleuchter! Ich würde euch am liebsten auf die Streckbank schnallen oder ans Kreuz ketten und auspeitschen! Auf jeden Fall kommt ihr für zwei Tage in den Käfig! Nackt. Und eure Notdurft müsst ihr in einem der Kochtöpfe verrichten!«
    »Na, na«, warf ich mahnend ein. Fred nickte mir beipflichtend zu. Ihn schauderte es ebenso bei dieser Vorstellung.
    Aufgebracht erhob sich Doris, um ruhelos durch die Wohnung zu wandern. Sie streckte ab und zu den Kopf in die Küche, stieß einige Beleidigungen aus, und zwischendurch sagte sie mit Weltuntergangsmiene, die hiesigen Bullen seien ja möglicherweise verschlafen, aber beileibe keine Trottel. »Ihr seid die verdammten Trottel!«, keifte sie. Da war nix, absolut nix mit dem von mir erhofften verstohlenen Schmunzeln, das in etwa
Ach ja, meine niedlichen, ungezogenen Jungs, ich kann ihnen einfach nicht böse sein
ausgedrückt hätte. Es kochte in ihr. Heiße Wut. Energiebündel, volle Power, Starkstrom. Aber das faszinierte mich ja an ihr.
    Nach einiger Zeit ließ das Brodeln nach. Sie kühlte merklich ab, die pragmatische Seite kam zum Vorschein. Nicht nur weil Doris lieber in Gesellschaft trank. Sie konnte es außerdem kaum erwarten, uns ihre beiden neuen LPs vorzustellen:
Troubadour
von J. J. Cale und
Hotel California
von den Eagles. Aber trotz des Joints, den er mit Doris rauchte, war Fred nicht in der Lage, sich richtig dafür zu begeistern. Er wollte unbedingt die, wie Doris sagte und ich insgeheim bestätigte, »beschissene Scheibe«
Kissin’ Cousins
, natürlich von Elvis, auf den Plattenteller legen. Kampf um den Plattenspieler. Das Wortgefecht ging zu meinem Entsetzen nahtlos über in ein Handgemenge. Galt Haschischrauchen nicht geradezu als Symbol für Friedfertigkeit? War ein Joint nicht gleichbedeutend mit weißer Taube und Peace-Zeichen? Hatte ich da was falsch verstanden? Fluchend trennte ich die beiden, redete anschließend beschwörend auf sie ein, bot mich als DJ an, aber die Lust auf Musik hatte sich längst verabschiedet.
    Miese Stimmung. Hielt sich hartnäckig in der Luft wie der Geruch aus den Aschenbechern. Und auf allem hockte zentnerschwer die Last des Verbrechens.
    In der Zeitung stand am nächsten Morgen verständlicherweise noch nichts. Wir verbrachten den Tag in einer Stimmung, die man ohne weiteres als grauenvoll bezeichnen konnte, gingen am späten Abend, froh, der Wohnung entfliehen zu können, in eine der Kneipen – und da stand Horsti, unbeschädigt und ölig wie immer, am Tresen, lächelte uns huldvoll zu und erzählte gerade einer Riege gespannt lauschender Zuhörer, ein Lastwagen mit Betonmischer hätte letzte Nacht das Nachbarhaus gerammt, eindeutig mit Absicht, zweimal sei der Koloss gegen die Wand gedonnert, die Witwe Pfaff sei nur deshalb unverletzt, weil sie sich kurz zuvor aufs Klo begeben hätte.
    »Das Nachbarhaus«, zischte Doris. »Ihr beschissenen Stümper …«
    »Ich war nicht dabei«, sagte Fred und deutete auf mich. »Er …«
    Doris kniff ihn ins Ohr. »Halt’s Maul! Zu Hause werd ich euch mit dem Rohrstock …« Ihre Augen feuerten Blitze ab. Mich beschäftigte im Stillen der wundersame Zufall, dass Witwe Pfaff zur Tatzeit ihr Klo aufgesucht hatte.
    Am folgenden Tag kaufte ich außer den Brötchen einen ganzen Stapel Zeitungen. In der Lokalpresse wurde der Fall exzessiv

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