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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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der Seife, die sie meistens benutzte. Palmolive. Nichts Besonderes, aber in Verbindung mit ihrem Doris-Körpergeruch einmalig.
    Sie wird längst Feierabend haben, dachte ich und stellte mir vor, wie sie mit ihrem neuen Lover Haschisch rauchte, wie die beiden dann mit geschlossenen Augen der Musik lauschten, irgendwas von Pink Floyd,
Shine On You Crazy Diamond
oder so was, und allmählich geil wurden und …, ach, scheiß drauf. Ein Gedanke flog durch meinen Kopf: Beretta 7,65, die hätte ich gern wieder – oder auch ein größeres Kaliber. Aus dem Nichts war dieser Wunsch erschienen, einfach so. Völlig absurd. Wozu hätte mir denn die Waffe dienen sollen? Fühlte ich mich so schwach und schutzlos? Oder wollte ich jemanden bestrafen? Geli und ihre Rocker? Keimte in mir etwa wieder der Plan für einen Überfall, war bloß noch nicht in mein Bewusstsein vorgedrungen? Nein, wohl kaum. Mein Verstand sträubte sich neuerdings vehement gegen jegliche kriminelle Vorhaben. Also streichen, erledigt. Obwohl der Verstand bei meinen Entscheidungen oftmals auf der Strecke blieb. Ficken wäre jetzt super. Oh Scheiße, Mann, ja klar, natürlich, Pistole und Schwanz. Es war alles so abgefuckt – und vor allem so banal. Der Mensch, das Gehirntier, zähmt andere Tiere und benutzt sie, rodet Wälder, baut Städte, erobert und erfindet, glaubt an Erlösung, säuft und hurt, lügt und klaut, fliegt zum Mond und erschlägt aus Gier oder Eifersucht seinen Nachbarn, seinen Freund oder einen völlig Unbekannten.
    In solche Überlegungen vertieft, war ich ohne ein bestimmtes Ziel vor Augen durch die Nacht gelaufen. Ich hätte nicht mal sagen können, was mich dazu veranlasst hatte, in diese oder jene Straße einzubiegen, andere hingegen zu meiden, auf jeden Fall fand ich mich in der Karolinenstraße wieder. Da vorn das Griechen-Lokal
Rigas Ferreos
. Die Deutschen fahren seit einiger Zeit total auf griechische Lokale ab, dachte ich, wieder mal darüber erstaunt, es gibt mittlerweile in jedem Hamburger Stadtteil mindestens einen Griechen, und hier, in dieser Gegend, bietet jedes zweite Lokal derbes Giros und zähes Souflaki an. Einige dieser Kneipen hatten zur Zeit der griechischen Militär-Diktatur bei den Linken einen gewissen Kultstatus erlangt, weil Abend für Abend die Lieder von Mikis Theodorakis und Nana Mouskouri abgespielt wurden, die Junta verflucht und massenhaft Ouzo gesoffen wurde. Das
Rigas Ferreos
gehörte dazu, eine Kellerkneipe. Fenster aus Glasbausteinen, na ja.
    Als ich den Raum betrat, fand ich mich umtost von Leben. Der Laden war prall gefüllt mit Menschen, die alle lachten, tranken, rauchten, aßen, knutschten – und das offenbar alles auf einmal. Eine Kneipe der Alternativen, wie ich unschwer erkennen konnte. Mit solchen Leuten hatte ich bisher kaum was zu tun gehabt. Okay, damals mit Geli und ihren Hippie-Freunden, und Doris war ja auch so was wie ein Hippie. Aber dennoch eine fremde Welt für mich. Die meisten Männer trugen Matte und Wollpullover, die sie vermutlich selbst gestrickt hatten – zumindest die Vollbärtigen unter ihnen wirkten auf mich wie Männer, die beim Stricken meditierten. Die Frauen in lila Latzhosen verzichteten auf jede Art von Schminke und auf BHs sowieso – was mir nur recht war, besonders wenn sie ihre Brüste unbefangen hüpfen ließen.
    Einige Frauen sowie ein paar Männer bevorzugten schwarze Klamotten, Nachtschattengewächse, bleich, mit schwarzen Lederjacken, schwarzen T-Shirts, schwarzen Jeans, die Augen mit Kajal umrahmt. Nervöse, an sich und der Welt verzweifelnde Geschöpfe. Ich war plötzlich geil auf eine dieser Frauen, eine schmale Elfe, die aus purer Sinnlichkeit zu bestehen schien, jede Geste, jede Bewegung. Schöne Kontraste: nordfriesisch-blondes Haar, im blassen Gesicht Kajal, feuerwehrroter Mund, auf dem Rücken der schwarzen Lederjacke in Silberschrift
Anarchie ist machbar, Herr Nachbar
. Aha, dachte ich, ein schlichtes Gemüt, aber doch irgendwie süß. Lüstern stellte ich mir vor, wie ich sie aus ihren schwarzen Klamotten schälte, und ich fragte mich, ob ich auf blonde oder rote Schamhaare stoßen würde. Aus dieser Frage sozusagen geboren, tauchte ein Gedanke auf, der sich sogleich breitmachte, ganz sachlich daherkam und somit meine sexuelle Erregung bis zur Belanglosigkeit reduzierte, kein großer Gedanke, nur die Feststellung, dass ich, die weiblichen Schamhaare betreffend, in all den Jahren keine Vorliebe für eine bestimmte Farbe entwickelt hatte. War aber

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