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Das Jahr des Hasen

Titel: Das Jahr des Hasen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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ein Verzeichnis von Urho Kekkonens Wortschatz angefertigt. Auch da gibt es eine auffällige Veränderung. Vor 1968 war Kekkonens Wortschatz wesentlich kleiner als danach. Meine Berechnungen haben ergeben, daß sein aktiver Wortschatz um 1200 Wörter gestiegen ist. Das kann natürlich auch daher kommen, daß nach 1968 der neue Kekkonen, wie ich ihn nenne, neue Re­ denschreiber hatte, aber trotzdem kann eine derart große Wortschatzerweiterung vieles beweisen. Weiter habe ich festgestellt, daß sich Kekkonens Meinung nach 1968 in vielen Dingen änderte. 1969 waren seine Stel­ lungnahmen so progressiv, als wäre er mindestens zehn Jahre jünger geworden. Auch seine Logik verbesserte sich erheblich – ich habe seine Auftritte sehr genau analysiert –, und diese offensichtliche Wendung zum Besseren trat ebenfalls im Laufe des Jahres 1968 ein. Außerdem wurde er 1969 irgendwie jungenhafter und tat in der Öffentlichkeit vieles, was früher undenkbar gewesen wäre. Sein Sinn für Humor entwickelte sich deutlich, und er behandelte sein Volk toleranter.«
    Hannikainen schloß den Koffer. Er hatte sich wieder beruhigt. Sein Eifer war verflogen, er schien vollkommen zufrieden.
    Die Männer gingen hinaus, vom See rief ein Brachvo­ gel. Lange Zeit schwiegen sie. Schließlich sagte Hanni­ kainen: »Bestimmt verstehst du jetzt, daß man diese Untersuchungsergebnisse besser nicht an die Öffent­ lichkeit bringt.«
    8. KAPITEL
    Der Waldbrand
    Dem Hasen gefiel das Leben am See. Er begleitete Han­ nikainen und Vatanen auf ihren Ausflügen, sprang auch tapfer in den Kahn, obwohl deutlich zu sehen war, daß er Angst vor dem Wasser hatte. Er wuchs, wurde schwe­ rer und kräftiger.
    Hannikainen hielt lange Vorträge über Präsident Kek­ konen. Der Hase betrachtete die Männer mit schräg geneigtem Kopf vom Boden des Kahns, seine Kötel roll-ten zwischen die Fische. So vergingen die Tage, und niemand verspürte den Wunsch, woanders zu sein.
    Eines Morgens gegen Ende Juli wurde der Hase un­ ruhig. Er strich den Männern um die Beine, und am Nachmittag versteckte er sich in der Hütte unter der Liege.
    Was mag nur mit ihm los sein? fragten sich die Män­ ner.
    Am selben Abend nahmen sie einen starken Brandge­ ruch wahr. Als sich bei Einbruch der Nacht die Seeober­ fläche glättete, konnten sie sehen, daß sich über den Sumpf ein blauer Rauchschleier legte.
    »Irgendwo ist ein großer Waldbrand«, sagte Vatanen. Am nächsten Morgen war der Rauch noch stärker
    und biß ihnen in die Augen. Auf dem See war es windig, aber der Rauch wurde trotzdem immer dicker. Er lag über der Landschaft wie dichter Dunst über dem Meer.
    Am Morgen des dritten Tages kam Savolainen über den Steg zur Hütte gelaufen. »Am Vehmassee ist ein großes Feuer. Vatanen, du mußt zu den Löschtrupps. Nimm Hannikainens Rucksack, pack dir Proviant ein. Ich fahre die Dörfer ab, wir starten sofort. Über tausend Hektar Wald sind schon verloren.«
    »Muß ich auch mit?« wollte Hannikainen wissen. »Nein, du bleibst mit dem Hasen hier. Männer über
    vierundfünfzig müssen nicht hin.«
    Vatanen stopfte Fisch, Speck, Salz und ein Pfund Butter in den Rucksack und brach auf. Der Hase wurde in die Hütte gesperrt, damit er Vatanen nicht folgte.
    Vom Kirchdorf Nilsiä wurde Vatanen nach Rautavaara gebracht, wo schon Hunderte anderer Männer waren, ein Teil kam von der Brandstelle, der andere war dorthin unterwegs. Flugzeuge transportierten Nachschub ins Brandgebiet, die Luft war erfüllt von ständigem Dröh­ nen. Die rußbedeckten, müden Männer, die vom Lö­ schen kamen, redeten nicht viel, sondern gingen sofort in die Zelte und legten sich schlafen.
    Der alte Apotheker von Rautavaara hatte bei den Wohnzelten eine Art Sanitätsstation errichtet, wo er mit Hilfe seiner Tochter die wunden Füße der Männer mit Borwasser spülte und verband. Das Fernsehen war da und interviewte den Bürgermeister von Rautavaara. Eine Reporterin der Savon Sanomat fotografierte, auch Vatanen kam in die Zeitung. Jedermann konnte sich aus der Gulaschkanone bedienen.
    Männer mit Orientierungssinn wurden gesucht. Vata­ nen meldete sich und sagte, er könne sich mit einem Eimer über dem Kopf in jeder Einöde zurechtfinden.
    Mit anderen zusammen wurde er in einen schweren Armeehubschrauber verfrachtet.
    Vor dem Start erklärte ein Offizier den Männern, was sie zu tun hatten: »Hier ist für jeden eine fotokopierte Landkarte von dieser Gegend. Man sieht darauf, wie weit das Feuer

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