Das Jahr des Hasen
Vatanen im dichten Ufergras eine Män nerhand, braun und behaart. Sie gehörte zu einem Arm, dessen Ellenbogen im Wasser hing.
Vatanen erstarrte: Es sah aus wie der Arm eines To-ten. Vatanen schwamm auf die Hand zu und ergriff sie. Arm und Hand gehörten zu einem großen Mann, der im Ufergestrüpp mit offenem Mund bäuchlings auf der Erde lag. Vatanen stieg aus dem Wasser und beugte sich über ihn. Er fühlte ihm den Puls, der schlug normal. Vatanen bückte sich tiefer, um festzustellen, ob der Mann atme
te.
Übler Schnapsgeruch schlug ihm entgegen. Vatanen schüttelte den Schläfer, bis er langsam erwachte.
Der Mann drehte sich auf den Rücken, starrte Vata nen einen Augenblick nachdenklich an und streckte dann die Hand aus. »Ich heiße Salosensaari, und wer bist du?«
»Vatanen.«
Nachdem sich die Männer die Hand geschüttelt hat-ten, half Vatanen dem Liegenden, sich aufzurichten.
»Hör zu, du siehst vor dir einen Mann, der ganz ver dammtes Pech hat.« Salosensaari erklärte, was er damit meinte. Er hatte Urlaub genommen, um ein paar Wo chen zu fischen und Schnaps zu brennen, an einem Ort, an dem er garantiert seine Ruhe hätte. So war er mit Sack und Pack in die Wildnis gezogen und hatte eine kleine Schnapsfabrik aufgebaut. Als er die ersten zehn Liter fertig hatte, war der Waldbrand ausgebrochen und hatte seine Fabrik verbrannt. Er selbst hatte mit einem Zehnliterfaß Schnaps auf der Schulter vor dem Feuer fliehen müssen, und hier saß er nun. Rucksack und Proviant waren verbrannt, alles war hin, die Angelgeräte, wirklich alles. Nur den Schnaps hatte er gerettet. Jetzt hielt er sich schon den zweiten Tag am Bachufer auf und trank seine Reserven. Es waren noch etliche Liter übrig.
»Kannst du dir so ein Pech vorstellen?« fragte er be trübt.
Vatanen entfachte am Ufer ein Lagerfeuer, briet den Fisch, und beide Männer aßen. Salosensaari ging zwi schendurch baden. Nach der Mahlzeit bot er Vatanen Schnaps an.
Der sagte nicht nein. Herrlich! Es brannte im Magen, Vatanen trank einen zweiten Becher.
»Vom Schnapsbrennen verstehst du was, Salosensaa ri.«
Die Männer becherten den ganzen Nachmittag. Ab und zu brieten sie Fisch und badeten. Je mehr sie tran ken, desto weniger kümmerte sie der Waldbrand.
Gegen Abend waren beide so betrunken, daß sie kaum noch aus dem Wasser herauskamen, in dem sie sich immer öfter abkühlten. Der Bach war tief und reichte ihnen an manchen Stellen bis zum Hals.
»Wir müssen aufpassen, daß wir nicht ertrinken«, sag-te Salosensaari immer wieder.
In der Nacht erreichte das Feuer den Bach. Es sah aus wie im Märchen: lodernde Bäume auf bei
den Seiten des Baches, wie große, rote, flatternde Blu men. Sie erhellten die Nacht. Die Hitze war so unerträg lich, daß die Männer im Wasser bleiben mußten, so waren nur ihre Köpfe der Glut ausgesetzt. Die Schnaps becher hatten sie bei sich, prosteten sich zu und verfolg ten erregt das wilde, zerstörerische Naturschauspiel.
Der Wald ringsum brauste, das Feuer knackte in den Bäumen, brennende Zweige fielen zischend in den Bach, die rotglühenden Gesichter der Männer spiegelten sich im Wasser, sie lachten und tranken aus ihren Bechern.
»Kaiser Nero und Brutus beobachten den Brand von Rom«, meinte Salosensaari.
Als das Feuer in den frühen Morgenstunden vorbei war, stiegen die Männer müde aus dem Bach und schliefen auf dem verkohlten Ufer sofort ein.
Sie erwachten erst um die Mittagszeit. Sie schüttelten sich zum Abschied die Hand, dann ging jeder seiner Wege. Salosensaari nahm Kurs auf Rautavaara, und Vatanen strebte dem See zu, an dem sich die Evakuier ten sammeln sollten. Das Profil seiner Gummistiefelsoh len schmolz auf dem aschebedeckten Boden.
Der Brand war ein paar Kilometer weiter zum Stehen gebracht worden. Vatanen überquerte den Feuersaum und gelangte in einen grünen Wald. Bald war er am See, wo sich Zivilpersonen und Vieh versammelt hatten. Sicher hatten die Häuser dieser Leute gebrannt. Am Ufer tobten Kinder, Rinder brüllten angstvoll auf der Wiese. Die Männer, die gelöscht hatten, lagen ausgestreckt auf der Uferböschung und sahen aus wie rußige Balken.
Vatanen gab die restlichen Fische aus seinem Ruck sack den Frauen, die daraus in einem großen Kessel über offenem Feuer eine Suppe kochten. Gerade als er einschlief, donnerte eine schwere Planierraupe heran. Sie kam aus der Richtung des Brandes und walzte den Wald nieder, und selbst die großen Föhren
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