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Das Jahr des Hasen

Titel: Das Jahr des Hasen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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vorgedrungen ist. Letzte Nacht ist es dort zum Stehen gekommen, aber nur zeitweise. Jetzt breitet es sich mit höllischer Geschwindigkeit als Wipfelfeuer nach Nordosten aus. Als nächstes wird dort, elf Kilometer weiter, eine neue Schneise geschlagen, nachts läßt man über zweitausend Hektar abbrennen. Das heißt, die Hälfte davon ist schon weg. Dies ist, von Tuntsa abgese­ hen, der größte Brand in der finnischen Geschichte. So, Sie werden hier an diesem Punkt abgesetzt, in Brand­ richtung. Sie bilden eine Kette, stellen sich jeweils im Abstand von hundert Metern auf, gehen mindestens zehn Kilometer nach Nordosten und schreien so ver­ dammt laut, wie Sie können, damit das Wild vor dem Feuer flieht. In dieser Gegend stehen zwei Häuser, Sie bringen die Bewohner ans Seeufer, und auch alle ande­ ren Leute müssen raus aus dem Gebiet. Außerdem gibt es, laut unseren Informationen, Vieh da draußen, ein Teil ist schon bis nach Nilsiä gerannt. Pferde und an die fünfzig Rinder sind noch da, die müssen zum See getrie­ ben werden. Der See ist auf der Karte eingezeichnet.«
    Sie flogen über das Brandgebiet. Die glühende Hitze schien bis in die Maschine zu dringen. Die Rauchent­ wicklung war so stark, daß die Männer nur mit Mühe etwas vom Wald erkennen konnten. Die Maschine schwankte in den heißen Luftströmen, und Vatanen fürchtete, der Hubschrauber könnte seine Rotoren verlieren und in die lodernden Flammen stürzen.
    Nachdem sie das Gebiet überquert hatten, setzte der Hubschrauber dröhnend und wie eine riesige Libelle zur Landung an, aus den Auspuffrohren entwich blauer Rauch in die heiße Luft. Je tiefer die Militärmaschine sank, desto heftiger schwankten die Baumwipfel. Schließlich wurden die losen Tannenzapfen von der Erde hochgewirbelt, die Maschine berührte den Boden, und das Dröhnen der Rotoren verebbte.
    Die Männer sprangen heraus und rannten gebückt und vom Luftstrom getrieben aus der Reichweite der Rotoren. Die Tür wurde hinter ihnen zugeschlagen, die Rotoren begannen wieder zu dröhnen, und die Maschine verschwand in der raucherfüllten Luft. Die Männer standen da und rieben sich die tränenden Augen.
    Vatanen wählte einen mittleren Platz in der Kette. Die Männer verteilten sich im Wald, ihre Rufe hallten durch die rauchige Einöde. Wie der Mensch doch vom Leben hin und her geworfen wird! dachte Vatanen. Noch vor einem Monat hatte er verdrossen in seiner Eckkneipe vor einem Humpen schalen Biers gehockt, und jetzt stapfte er hier im dicksten Qualm durch die Wildnis, schweißtriefend, den Rucksack voller nasser Fische.
    »Tausendmal lieber hier als in Helsinki«, sprach er lä­ chelnd und mit tränenden Augen vor sich hin.
    Er kam an eine sumpfige Stelle. Dort sprang orientie­ rungslos ein großer Feldhase herum. Vatanen scheuchte ihn aus der Brandrichtung fort in den Wald, das Tier verschwand aus seinem Blickfeld. Hinter dem Sumpf, in einem dichten Fichtengehölz brüllte eine verstörte Kuh. Sie hatte vor lauter Aufregung Durchfall bekommen, war bis zu den Flanken mit Scheiße bespritzt, ihr Schwanz war eine schwarze, stinkende Peitsche. Sie starrte Vata­ nen entsetzt mit geweiteten, wäßrigen Augen an, und irres, keuchendes Gebrüll brach aus ihrem weit aufge­ rissenen Schlund. Vatanen packte sie bei den Hörnern, drehte mit aller Kraft ihren Kopf in Richtung Nordosten und gab ihr Tritte ins Hinterteil. Schließlich begriff sie, wohin sie gehen mußte. Die Glocke am Hals der Un­ glücklichen bimmelte wie der Feuermelder eines Klo­ sters, aus ihrem Hintern spritzte Kot. Als sie ver­ schwunden war, wischte sich Vatanen die Tränen aus den Augen.
    Der Wald wimmelte von allerlei Getier, Eichhörnchen und Hasen sprangen umher, Laufvögel flatterten auf und ließen sich wieder nieder, Auerhähne mußten ge­ scheucht werden wie Hühner, damit sie begriffen, in welche Richtung sie fliegen sollten. Vatanen gelangte an einen Wasserlauf, einen vier Meter breiten klaren Bach. Rauch hing über seinen üppig grünen Ufern, der An­ blick war märchenhaft schön.
    Vatanen zog die verschwitzte Kleidung aus und glitt in das kühle Naß, spülte seine vom Rauch entzündeten Augen, prustete in dem klaren Wasser. Da er so lange durch den Qualm gestapft war, erschien ihm das Bad geradezu paradiesisch. Er schwamm gegen die Strö­ mung, die Oberfläche kräuselte sich leicht. Das Wasser floß ihm langsam entgegen, ein Gefühl vollkommenen Glücks überkam den Schwimmer.
    Plötzlich sah

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