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Das Jahr des Hasen

Titel: Das Jahr des Hasen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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knickten um wie Weidenröschen unter den Füßen eines Betrunkenen. An der Maschine war ein großer Transportanhänger befestigt, darauf saßen Männer mit Motorsägen und Rucksäcken.
    Der Bulldozer drang donnernd ins Ufergelände vor, die Kleinkinder wurden aus dem Schlaf gerissen und weinten, die Kühe auf der Weide erschraken, erhoben sich und muhten. Die Frauen beschimpften den Fahrer, der so plötzlich den schläfrigen Frieden am Seeufer gestört hatte.
    Der Mann hörte nicht, was die Frauen ihm zuriefen, er schaltete den Motor aus und starrte sie verblüfft an. Es fiel ihm offenbar schwer, sich nach dem Dröhnen auf menschliche Stimmen einzustellen.
    »Du Trampel, fährst mitten zwischen Leute und das Vieh, hast du deinen Grips nicht beisammen? Die Kin­ der wachen auf, und die Kühe gehen durch!« zeterten die Frauen.
    Der Fahrer rieb sich mit seiner rußigen Hand das schwarze Gesicht und sagte langsam: »Maul halten, Weiber!«
    »Was fällt dir ein, du bist wohl verrückt!« schrien die Frauen wütend.
    Der Fahrer trat vor sie hin: »Ich habe drei Tage und drei Nächte nicht geschlafen und in einem Ritt dieses gottverdammte Ding gefahren, also Maul halten jetzt!«
    Man sah es ihm an. Er war am Ende. Der rinnende Schweiß hatte Furchen in sein rußbedecktes Gesicht gezogen, seine Züge schienen mit Kohlepapier kopiert worden zu sein. Der Mann wankte zum See, wusch sich das Gesicht, schöpfte mit seiner Pranke Wasser, spülte den Mund, gurgelte hörbar und spuckte das Wasser aus. Er kam mit nassem Gesicht zurück, denn er wollte es nicht mit dem rußigen Ärmel abwischen. Im Kessel über dem Feuer brodelte die Fischsuppe, er guckte hinein, holte einen Teller aus seinem Rucksack und bediente sich.
    Die Frauen schrien: »Halt! Wirst du wohl die Finger von unserer Fischsuppe lassen!«
    Er hatte sich eine Kelle voll aufgetan, jetzt warf er Tel­ ler und Suppe in den Kessel, daß es klatschte, die Kelle schleuderte er so weit in den Wald, daß man sie nicht aufschlagen hörte. Er ging langsam zu seiner Planier­ raupe und schwang sich energisch auf den Fahrersitz, setzte seinen schweren Stiefel aufs Gaspedal, der Motor begann zu dröhnen, und aus dem Auspuffrohr sprühten Funken in den Sommerabend. Das Ungetüm setzte sich rumpelnd in Bewegung, die breiten Raupenketten gru­ ben sich durch den festgetretenen Boden.
    Der Fahrer lenkte seine große Maschine aufs Lager­ feuer zu, über dem der Suppenkessel dampfte, und drückte kurz davor den Planierschild tief in den Boden. Ein meterdickes Stück Erde schob sich hoch, Feuer und Suppenkessel stürzten um. Dampf stieg von der Fisch­ suppe auf, ehe Kochgerät und Mahlzeit in der Erde verschwanden. Zurück blieb ein metertiefer Kanal, der zum See führte. Dreierlei Gerüche hingen in der Luft: frische Erde, verbranntes Naphtalin und Fischsuppe.
    Der Mann hielt auch nach diesem Zerstörungswerk nicht inne, sondern brachte die Maschine auf volle Touren. Das Fahrzeug rodete sich seinen Weg durch das Ufergelände, der Boden bebte, die Raupenketten rassel­ ten, es fuhr geradewegs in den See. Die Uferbüsche schwankten, als sich die Planierraupe hindurchschob, die glatte Wasseroberfläche spaltete sich, vor dem Pla­ nierschild erhob sich eine große schäumende Welle und bewegte sich auf den See hinaus. Es war, als stürzte sich ein stählernes Flußpferd wütend in die Wellen.
    Der See wurde zur Mitte hin tiefer. Das Wasser be­ deckte zuerst den Schild, dann die Raupenketten, es schäumte um die Walzen, aus dem Rasseln wurde Blubbern. Die Planierraupe schob die Welle immer weiter. Bald reichte das Wasser bis an den glühendhei­ ßen Motor, man hörte es rauschen und brodeln, und eine dicke Dampfwolke stieg auf, als hätte die Maschine plötzlich Feuer gefangen.
    Immer weiter steuerte der Mann sein Fahrzeug: Das Wasser bedeckte Motor und Winde und umspülte bald die Motorhaube. Dann ging es noch tiefer hinein, das Wasser stieg dem Fahrer schon bis ans Gesäß. Im sel­ ben Moment atmete der Motor Wasser ein und ver­ stummte mit einem Husten. Hundert Meter vom Ufer entfernt lag der Bulldozer im See.
    Die Leute beobachteten entsetzt, wie der Fahrer sich auf seinem Sitz umdrehte und langsam mit wassertrie­ fenden Hosen aufstand. Er wandte sich zum Ufer und rief mit weithin hörbarer Stimme: »Habt ihr das Maul endlich zu?«
    »Der ist verrückt geworden, weil er nicht geschlafen hat«, flüsterten die Frauen.
    Die Männer riefen auf den See hinaus: »Du hast die

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