Das Jahr des Hasen
Bescheid, außerdem ein Zimmermann in Puumala. Keiner von beiden würde meine Untersuchungsergeb nisse verraten. Wenn die an die Öffentlichkeit kämen, würde ich Scherereien kriegen, sogar juristische Schwie rigkeiten, oder zumindest würde ich ausgelacht.« Hanni kainen starrte Vatanen an. Sein Blick war eisig.
»Ich bin ein betagter Mann und vielleicht ein bißchen senil, aber ich bin noch nicht völlig verwirrt. Wenn du wissen willst, was ich herausgefunden habe, dann mußt du mir erst versprechen, daß du diese Informationen weder gegen mich noch gegen sonst jemanden verwen dest.«
Vatanen versprach es hoch und heilig. »Es handelt sich um eine so wichtige Sache, daß ich
dich nur bitten kann, in Ehren zu halten, was ich dir jetzt erzählen werde. Du darfst mich niemals verraten.«
Es war Hannikainen anzumerken, daß er darauf brannte, sein Geheimnis mitzuteilen. Er schraubte die Wodkaflasche zu, steckte sie ins Moos und ging energi schen Schrittes zur Hütte. Vatanen folgte ihm.
An der Wand zwischen Fenster und Tisch stand ein alter großer brauner Koffer, den Vatanen schon am Vorabend gesehen, aber nicht weiter beachtet hatte. Hannikainen hob den Koffer auf die Liege, öffnete die
Schlösser und klappte den Deckel hoch. Wie sich zeigte, war der Koffer vollgestopft mit einer Riesenmenge Akten und Fotos.
»Ich habe das Archiv noch nicht endgültig geordnet… Die Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen, aber das Wichtigste befindet sich hier. Das Material vermittelt einen ziemlich guten Überblick über die Sachlage.«
Hannikainen holte aus dem Koffer maschinegeschrie bene Papiere, dicke Mappen und ein paar Bücher her aus, dazu Fotos, die allesamt Präsident Urho Kekkonen in verschiedenen Situationen zeigten. Auch die Bücher handelten von ihm: Es befanden sich Ausgaben von seinen Reden, Skyttäs Kekkonen-Bücher sowie mehrere andere darunter, die sich mit ihm beschäftigten, sogar eins mit Kekkonen-Witzen war dabei. Zwischen den Papieren lagen zahlreiche graphische Darstellungen, und Vatanen sah, daß auch sie mit Kekkonen zu tun hatten.
Hannikainen zog ein paar Zeichnungen heraus, es waren sorgfältig auf Millimeterpapier übertragene Längsschnitte menschlicher Schädel.
»Sieh dir mal die an«, sagte er und hielt im fahlen Licht des Fensters zwei Schädelbilder aneinander. »Merkst du den Unterschied?«
Auf den ersten Blick wirkten die Bilder völlig gleich, doch beim ganz genauen Hinsehen unterschieden sie sich ein klein wenig voneinander.
»Das linke Bild zeigt Urho Kekkonens Schädel im Jah re 1945, also gleich nach dem Krieg. Und hier ist das zweite, es zeigt seinen Schädel im Jahre 1972. Ich habe diese Zeichnungen auf der Grundlage von Vergleichen angefertigt, und zwar habe ich von gewöhnlichen Fotos die Schädeldecke auf eine Leinwand projiziert, in ver schiedenen Stellungen natürlich, und dann die Kontu ren des Schädels aufs Papier gezeichnet. Bei Kekkonen kann man eine solche Methode anwenden, weil er eine Glatze hat. Diese Arbeit ist außerordentlich langwierig und erfordert unerhörte Genauigkeit, aber ich bin zu sehr guten Ergebnissen gekommen, wie ich finde. Ich möchte sagen, meine kraniometrischen Ergebnisse gehören zu den genauesten, die überhaupt möglich sind, bessere erreicht man vielleicht nur noch im pathologi schen Institut, dort kann man ja die Schädel selbst vermessen.«
Hannikainen zog ein neues Schädelbild hervor. »Hier ist Kekkonens Schädel aus der Zeit, als er seine
dritte Regierung bildete. Du siehst, er gleicht haargenau jenem aus dem Jahre 1945.
Und dies ist sein Schädel von 1964, wieder genauso. Aber jetzt, sieh mal hier, der Schädel von 1969! Der ist doch ganz anders! Vergleich den mal mit dem aus dem Jahr 1972, dann findest du wieder Gemeinsamkeiten.«
Hannikainen präsentierte seine Zeichnungen voller Erregung, mit brennenden Augen und triumphierendem Lächeln. Vatanen betrachtete die Bilder, und er mußte zugeben, daß sie Hannikainens Beschreibung genau entsprachen: Es gab Unterschiede zwischen den Schä deln älteren und neueren Datums.
»Die Veränderung trat irgendwann 1968 ein, vielleicht gegen Ende jenes Jahres, spätestens jedoch Anfang
1969. Ich habe den Zeitpunkt noch nicht genau ermit teln können, aber ich setze meine Untersuchungen fort, und ich bin sicher, daß ich in ein, zwei Monaten Genau es weiß. Auf jeden Fall kann ich bereits heute überzeu gend nachweisen, daß eine Veränderung erfolgt
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