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Das Jahr des Hasen

Titel: Das Jahr des Hasen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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Mit einer Sichel säuberte er das Unterholz auf sandigen Hügeln und lebte gemeinsam mit dem Hasen, der immer anhänglicher wurde und nun fast ausgewachsen war, im Zelt.
    Vatanen tat seine schwere Arbeit, ohne sich um die Zeit zu kümmern, er wurde zäher und vergaß zuneh­ mend sein früheres verweichlichtes Leben in der Haupt­ stadt. Keine aufreibenden politischen Diskussionen mit
    irgendwelchen Eiferern mehr. In den Wäldern von Kuh­ mo gab es keine geilen Frauen, die die Blicke der Män­ ner durchbohrten, an billigen Sex dachte er gar nicht mehr.
    So ein Leben kann jeder führen, wenn er es nur fer­ tigbringt, auf sein früheres Leben zu verzichten.
    Vatanen hatte zwei Wochen ununterbrochen Dickicht gesäubert. Die Arbeit war getan, die ausgewählten Schößlinge hatten den notwendigen Lebensraum erhal­ ten; es war an der Zeit, in Kuhmo den Lohn zu kassie­ ren.
    Am Lentuasee lag ein kleines Dorf, dort traf Vatanen gegen Mitternacht ein. Der Zehn-Kilometer-Fußmarsch hatte ihn sehr ermüdet. Er wäre gern in irgendein Haus gegangen, aber das Dorf schlief, und er brachte es nicht über sich, mitten in der Nacht jemanden aufzuwecken.
    So begab er sich in einen fensterlosen Vorratsschup­ pen, der zu einem großen Gehöft gehörte, warf seinen Rucksack in die Ecke und legte sich auf den Fußboden. Im Dunkeln kann man gut schlafen, weil einen keine Mücken plagen – ein Mensch, der sonst im Wald lebt, empfindet derlei Bedingungen als Luxus. Der Hase war allerdings unruhig, schnupperte immer wieder im Schuppen herum; es roch nach verdorbenem Fisch. Sie haben zuwenig Salz zum Einlegen genommen, dachte Vatanen und fiel ungeachtet des süßlichen Geruchs in einen festen, tiefen Schlaf.
    Gegen sechs Uhr erwachte er im dunklen Schuppen mit steifen Gliedern, rieb sich die Augen und dachte, bald müßten die Leute im Haus aufstehen, dann könnte es Kaffee geben. Der Hase lag hinter dem Rucksack an der Wand. Er war unruhig und nervös, als hätte er die ganze Nacht nicht geschlafen.
    Als Vatanen den Schuppen durchquerte, stieß er ge-gen ein Hindernis, das er in der Nacht nicht bemerkt hatte. Er betastete den Gegenstand, und seine Hand berührte einen Zapfen, der über einer dicken Bohle saß. Eine Hobelbank, mitten im Raum.
    Vatanen ging um die Hobelbank herum, wollte sich im Dunkeln daran festhalten. Seine Hand griff in Stoff. Er stutzte, tastete ab, was da lag.
    Unter einem Laken schien ein Mensch zu schlafen. Er hatte anscheinend einen so tiefen Schlaf, daß er Vata­ nen, als er in der Nacht hereingekommen war, gar nicht bemerkt hatte.
    »Wach auf, Kumpel«, sagte Vatanen, bekam aber keine Antwort. Der Schlafende hatte wohl nichts gehört, jeden­ falls zeigte er keine Anzeichen von Erwachen. Vatanen fühlte genauer hin: Jawohl, da lag ein Mensch auf der Hobelbank, mit einem Kleidungsstück zugedeckt, ohne Kissen. Die Arme an der Seite ausgestreckt, die Füße ohne Stiefel, eine große Nase. Vatanen rüttelte ihn vor­ sichtig, versuchte ihn aufzurichten, redete auf ihn ein. Dann beschloß er, die Tür zu öffnen; das Licht würde den Schläfer schon wecken. Als Vatanen einen Schritt zur Tür machte, verhakte sich der Griff des Spannstok­ kes in seiner Hosentasche. Das ganze Gerät kippte um, und der Schläfer rollte herunter. Sein Kopf schlug schwer auf den Boden. Als Vatanen die Tür aufriß, sah er im Morgenlicht einen alten Mann bewußtlos auf der Erde liegen.
    Nun hat er sich den Kopf verletzt, dachte Vatanen er­ schrocken. Er befühlte in seiner Angst die Herzgegend des Mannes, konnte aber nicht feststellen, ob das Herz schlug. Jedenfalls schien der Mann durch den Sturz das Bewußtsein verloren zu haben! Vatanen bekam es mit der Angst, er hob den Verletzten vorsichtig hoch und brachte ihn ins Freie. Dort sah er sich im klaren Mor­ genlicht dessen Gesicht genau an: runzlige, ruhige Züge, die Augen geschlossen. Vatanen dachte sich, daß so ein alter Mann nach einem Fall von der Hobelbank sterben könnte und er deshalb schnell handeln mußte. Der Bewußtlose lag in seinen Armen wie auf einem Tablett. Vatanen rannte über den Hof und wollte den Verletzten ins Hauptgebäude tragen, aber glücklicherweise er­ schien auf der Treppe eine junge Frau mit Milchkannen. Vatanen rief, es sei ein Unfall passiert, und blieb mitten auf dem Hof stehen, den bewußtlosen alten Mann in den Armen.
    »Ich werde alles erklären. Holen Sie jemanden, der ihn künstlich beatmen kann!«
    Auch die Magd war erschüttert. Die

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