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Das Jahr des Hasen

Titel: Das Jahr des Hasen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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Vatanen bat sie, ihre Hunde einzusperren, und nur selten geschah es, daß der Hase von einem Hund aus dem Dorf verfolgt wurde. Er rettete sich in solchen Not­ fällen entweder zu Vatanen auf den Schoß oder schlüpf­ te ins Zelt, und der Hund mußte enttäuscht umkehren.
    Als zwei Flöße zerlegt waren und das gewonnene Holz aufgestapelt war, zahlte Vatanen Kurko den Lohn für zwei Wochen aus. Der verschwand sofort in Richtung Rovaniemi. Dort blieb er drei Tage und drei Nächte und
    kam dann sternhagelvoll und abgebrannt zurück, so wie er es sein ganzes Leben gemacht hatte. Er soff noch eine weitere Nacht, und dabei wäre beinahe ein Unglück passiert: Als er seine Qualitäten als Flößer vorführen wollte und zu diesem Zweck auf den Stämmen am Ufer entlanglief, fiel er in den Fluß. Da er nicht schwimmen konnte, wäre er fast ertrunken, doch Vatanen zog ihn aus dem kalten Wasser und trug ihn ins Zelt. Am Mor-gen erwachte der alte Kämpe mit einem mörderischen Kater, und als er den Mund aufmachte, um zu klagen, zeigte sich, daß sein Gebiß nachts in den Fluß gefallen war. Das Leben ist manchmal wirklich deprimierend.
    Im Laufe des Tages wurde Kurko wieder munter. Er konnte nichts anderes essen als Brei, und natürlich quälte ihn der Hunger.
    »Bring mir Schwimmen bei«, bat er Vatanen. Am selben Abend begann Vatanen mit dem Unter­
    richt. Er befahl Kurko, sich nackt auszuziehen, sich bäuchlings ins Wasser zu legen und mit den Händen am Ufer festzuhalten.
    Einem alten Hund das Sitzen beizubringen ist schwie­ rig genug, doch noch schwieriger ist es, einen alten lappländischen Waldarbeiter das Schwimmen zu lehren. Der arme Kurko gab sich redliche Mühe, aber der Erfolg war gering. Abend für Abend wurden die Übungen fort­ gesetzt. Vatanen staunte über Kurkos Beharrlichkeit.
    Schließlich geschah ein Wunder.
    Kurko lernte Hundepaddeln. Das Wasser trug ihn! Freudengeheul hallte über den Fluß, als der Mann seine neue Begabung entdeckte. Er war so begeistert, daß er noch spät abends im Wasser planschte; hin und wieder tauchte er für längere Zeit unter, ließ sich von der Strö­ mung treiben und kam etliche Meter weiter flußabwärts prustend wieder an die Oberfläche. Sein abgehärteter Körper vertrug das kalte Wasser gut, sein durchfurchtes Gesicht leuchtete von neuem Lebensglück.
    »Morgen ist Feiertag, da tauche ich nach meinem Ge­ biß«, beschloß Kurko. Er war so eifrig bei der Sache, daß er nicht einmal in die Samstagssauna ging, sondern sich lieber im Fluß vergnügte.
    Kurko konnte mehrere Minuten unter Wasser bleiben, das zeigte sich am nächsten Tag, als er auf dem Grund des Flusses sein Gebiß zu suchen begann. Am Ufer versammelte sich eine Schar Dorfbewohner, um ihm beim Tauchen zuzusehen, einige waren auch wegen des Hasen gekommen. Allgemein hielt man die beiden Floß­ arbeiter für etwas sonderbar, und das wohl nicht ganz ohne Grund: Der eine hatte einen Hasen gezähmt, und der andere paddelte jeden Tag nackt im kalten Wasser herum. Sogar ein Bus mit Touristen hielt an, und etwa vierzig Deutsche stiegen aus, um das Schauspiel zu bewundern. Jemand filmte Kurko mit der Schmalfilm­ kamera. Der deutsche Reiseleiter erklärte seinen Lands­ leuten, dies sei ein Training für die Flößerwettkämpfe, die alljährlich in Lappland stattfänden.
    Abends sagte Kurko zu Vatanen, seine Zähne habe er im Fluß nicht gefunden, dafür aber etwas viel Wertvolle­ res.
    »In der Mitte, wo es über zehn Meter tief ist, habe ich mindestens hundert Tonnen Kriegsschrott entdeckt. Mehr als zehn Kanonen, mindestens einen Panzerwagen, große Kisten, alles mögliche. Deswegen habe ich die ganze Zeit getaucht. Gib mir ‘nen Tausender Vorschuß, und ich verkauf den Schrott.«
    Seltsamer Fund, seltsamer Kerl, dieser Kurko. Vata­ nen zog sich aus, lief über die Stämme zum Fluß und tauchte in die Tiefe. Die Strömung war stark, und nur mit Mühe gelangte er an die richtige Stelle.
    Kurko hatte nicht gelogen. Vatanen stieß mit dem Knie an einen harten Gegenstand, er untersuchte ihn näher und kam zu dem Ergebnis, daß dort tatsächlich eine Kanone lag. Ein Wunder, daß man sie nicht früher entdeckt hatte. Doch auf der Kanone lagen mit Wasser vollgesogene Baumstämme, die sich im Laufe der Jahre durch das Flößen dort angesammelt hatten.
    Vatanen gab Kurko tausend Mark. Der fuhr am näch­ sten Morgen nach Rovaniemi. Vatanen mußte das letzte Floß allein zerlegen.
    Wieder blieb Kurko zwei Tage und zwei

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