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Das Jahr des Hasen

Titel: Das Jahr des Hasen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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ihn bit­ ten, es zu unterlassen, weil das Tier das nicht mochte. Obwohl der Hase in Vatanens Gegenwart sonst keine Angst vor Fremden hatte, schien er Scheu vor diesem Mann zu haben.
    Kaartinen erzählte, er habe von der Hütte in Vittu­ maisenoja bis hierher nach Läähkimä eine zehn Kilome­ ter lange Übungsloipe angelegt. Er holte aus der Brust­ tasche seines Anoraks mehrere Rollen Nylonschnur, rote und gelbe. Damit wollte er die Loipe für Touristen kenn­ zeichnen. Wie er berichtete, wollte noch vor Weihnach­ ten eine große Anzahl von Leuten Urlaub in dieser Ge­ gend machen, das Außenministerium stehe dahinter. Es seien mehrere Dutzend hochgestellter Persönlichkeiten und auch Vertreter der Presse zu erwarten.
    Er schlug Vatanen vor, ihm den Hasen zu verkaufen; zuerst bot er fünfzig Mark, dann hundert und zum Schluß zweihundert. Natürlich ging Vatanen nicht dar-auf ein, er geriet über das Angebot des Skilehrers fast in Zorn.
    Kaartinen blieb über Nacht. Vatanen, dessen Gedan­ ken um den Bären kreisten, lag lange wach, und als er endlich einschlief, war sein Schlaf um so fester.
    Als Vatanen morgens erwachte, war er allein. Der Ha-se und Kaartinen waren verschwunden. Kaartinens Skier standen nicht mehr da. Frische Hasenspuren waren nicht zu sehen.
    Wie konnte so etwas geschehen, warum? Vatanen sprang wutentbrannt auf seine Skier, schwang sich in Kaartinens Loipe, kehrte jedoch bald wieder um, holte das Gewehr aus der Hütte und machte sich abermals auf den Weg. Ihm fiel ein, was ihm die Männer von Tieropfern erzählt hatten. In wildem Tempo lief er zur Hütte von Vittumaisenoja.
    Mit dampfendem Rücken kam er dort an. Er keuchte schwer, der Schweiß brannte ihm in den Augen, und schwarze Wut zerfraß ihm die Eingeweide. Am Bach stand ein prächtiges Blockhaus, das für mindestens hundert Leute Platz bot.
    Vatanen löste mit einer schnellen Bewegung die Skier von den Füßen und riß die Tür auf, Kaartinen saß gera-de am Fenstertisch und trank Kaffee.
    »Wo ist der Hase?«
    Kaartinen drückte sich an die Wand. Er starrte ent­ setzt auf Vatanen, der fest das Gewehr in der Hand hielt, und behauptete mit angstvoller Stimme, er wisse nichts von einem Hasen. Er sei morgens sehr früh aus der Hütte aufgebrochen und habe seinen Gastgeber, der sehr fest geschlafen habe, nicht wecken wollen.
    »Das ist eine Lüge! Her mit dem Hasen und zwar so-fort!«
    Kaartinen flüchtete in eine Ecke.
    »Was sollte ich mit ihm?« versuchte er sich zu vertei­ digen.
    »Den Hasen her!« brüllte Vatanen. Als Kaartinen im­ mer noch nichts zugeben wollte, geriet Vatanen völlig außer sich. Er schleuderte die Waffe auf den Tisch, erreichte Kaartinen mit einem Satz, packte ihn am Schlafittchen, hob ihn hoch und preßte ihn gegen die Wand.
    »Und wenn du mich tötest, ich gebe ihn dir nicht«, brachte Kaartinen heraus. Vatanen wurde so wütend, daß er den Mann in die Mitte des Raumes schleuderte und ihm einen Kinnhaken gab, daß es krachte; der unglückliche Skilehrer fiel zu Boden. Es wurde still, nur Vatanens Keuchen war zu hören.
    Und noch etwas: Aus der Küche drang gedämpftes Rascheln und leises Poltern. Vatanen ging hinaus und riß in der Küche die erstbeste Schranktür auf. Ein Hase mit zusammengebundenen Pfoten plumpste heraus. Der Hase von Vatanen!
    Vatanen durchschnitt die Schnur mit dem Messer und kehrte mit dem Hasen im Arm in die Stube zurück, wo Kaartinen gerade dabei war, sich von dem Schlag zu erholen.
    »Was soll das bedeuten?« fragte Vatanen drohend. Kaartinens Bericht war lang und einigermaßen unge­
    wöhnlich.

Er erzählte, er sei in streng religiösen Verhältnissen aufgewachsen. Die frommen Eltern hatten ihren Sohn zum Theologiestudium bestimmt. Der Sohn legte sein Abitur ab und ging anschließend auf die theologische Fakultät der Universität Helsinki. Doch die Studien dort befriedigten den empfindsamen Jüngling nicht. Sein Glaube an die lutherische Kirche entsprach nicht den Anforderungen, an ihm nagten Zweifel, die Wissenschaft blieb ihm sehr fremd. Der Gedanke, daß er eines Tages mit zweifelnder Seele einer Gemeinde das Wort Gottes verkünden müßte, ängstigte ihn. So brach er denn, ohne Rücksicht auf die religiösen Gefühle seiner Eltern, das Theologiestudium ab und schrieb sich im Seminar von Kemijärvi ein. Auch dort hatte er mit dem lutherischen Glauben zu tun, doch die Gegenwart Jesu Christi war nicht ganz so spürbar wie in Helsinki. Kaartinen wurde Volksschullehrer.
    Schon

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