Das Jahr des Hasen
im Raum stand Vatanens Mörteltrog, Bretter und anderes Baumaterial lagen herum. Jetzt erkannten die Rentierzüchter, daß er Herd und Schornstein reparierte und weiter nichts Außerge wöhnliches tat.
Im Herd brannte ein Feuer, was die Reparaturarbeiten nicht störte, schließlich trocknete der aufgetragene Mörtel im Warmen besser. Die Gäste kochten sich Kaffee und erzählten, sie wollten die letzten Tiere für die Aus wahl zusammentreiben, etliche Herden hätten sich in den Hügeln verstreut. Nach dem Bau des Stausees von Lokka hätten sich die Weideflächen verkleinert. Das System sei durcheinandergeraten und die Arbeit mit den Tieren jetzt schwieriger als vorher.
Die beiden waren bereits in der Hütte von Vittumai senoja gewesen, sie erzählten, Kaartinen habe dort gehaust.
Die Männer blieben über Nacht. Als sie fort waren, setzte Vatanen seine Arbeit auf dem Dach fort, und nach ein paar Tagen hatte er den Schornstein soweit fertig, daß der die nächsten Jahrzehnte überdauern konnte. Als der Mörtel getrocknet war, baute Vatanen das Zelt um den Schornstein ab. Dann fegte er den Schnee vom Dach und begann, neue Teerpappe auf die alte, abge nutzte zu nageln. Bei dem strengen Frost war die Pappe steif und ließ sich kaum verarbeiten, ohne zu brechen. Vatanen mußte siedendes Wasser auf das Dach tragen, das er, auf dem First stehend, über die Pappe goß. Das heiße Wasser taute sie auf, so daß Vatanen, wenn er sich beeilte, sie glattlegen und fest annageln konnte.
Es war ein sehenswertes Schauspiel: Das siedende Wasser dampfte in der eisigen Luft, die ganze Umgebung hüllte sich in Dampf, der hoch in den klaren Himmel stieg. Von fern glich die Baustelle einem Dampfkraft werk oder einer altmodischen Lokomotive. Vatanen auf dem Dach sah aus wie ein Maschinist, der in der Kälte versuchte, eine große Maschine in Gang zu setzen, die Hammerschläge hörten sich an wie das Anspringen eines Motors. Aber es war ja nur eine Hütte, und so setzte sie sich auch nicht in Gang. Als sich Vatanen einmal aufrichtete und wartete, daß sich die Dampfwol ken verzogen, fiel sein Blick zufällig auf die Rückwand der Hütte. Spuren führten von dort ins Dickicht bei der Schlucht. Jemand trieb sich also in der Nähe herum.
Vatanen stieg vom Dach, holte sein Gewehr mit Ziel fernrohr und kletterte wieder nach oben. Jetzt war der Dampf weg, und durch das Diopter konnte man gut sehen. Vatanen legte die Waffe an und fixierte lange die gegenüberliegende Seite der Schlucht, allerdings mußte er zwischendurch die Augen ausruhen. Als sie zu tränen anfingen, senkte er die Waffe.
»Es kann nichts anderes sein als ein Bär.« Vatanen kehrte in seine Behausung zurück, rief den
Hasen herein und kochte sich etwas zu essen. Er dach te: Jetzt habe ich einen Bären zum Nachbarn.
Der Hase bewegte sich geräuschlos durch die Hütte. Das tat er immer, wenn er spürte, daß sein Herr ernst-haft nachzudenken hatte.
Am nächsten Morgen durchquerte Vatanen auf Skiern die Schlucht und untersuchte die Spuren. Der Hase beschnupperte sie und begann vor Furcht zu zittern. Kein Zweifel, dort war ein Bär gewesen, ein großer noch
dazu. Vatanen folgte den Spuren bis zu einem baumlo sen Hang, dahinter verschwanden sie in einem dichten Gehölz. Vatanen lief im weiten Bogen um den Wald herum, ohne weitere Spuren zu finden. Der Bär hielt sich also noch dort auf. Wahrscheinlich hatte er sich im Dickicht eine Höhle gebaut und schlief seelenruhig.
Vatanen lief in den Wald hinein, er lockte den Hasen mit leiser Stimme, doch der wagte nicht zu folgen und blieb ängstlich zurück.
Der Bär war kreuz und quer gelaufen, vermutlich um sich einen geeigneten Schlafplatz zu suchen. Es war schwer auszumachen, wo er sich niedergelassen hatte. Vatanen mußte noch tiefer in den Wald. Schließlich entdeckte er unter einem Windbruch das Versteck des Bären. Es lag noch nicht viel Schnee auf der Höhle, schwacher, aufsteigender Dunst war zu erkennen. Hier schlief er also.
Vatanen kehrte lautlos um und lief zum Hang zurück, wo ihm der Hase fröhlich entgegenhoppelte.
Als Vatanen zur Hütte kam, fand er Besuch vor. Fa brikgefertigte Tourenskier lehnten an der Wand. In der Stube saß ein forscher junger Mann in Skikluft. Er begrüßte Vatanen mit Handschlag, was in Lappland seltsam wirkt. Es war Kaartinen, von dem Vatanen schon so viel gehört hatte.
Kaartinen war sehr von dem Hasen angetan. Er wollte ihn unbedingt streicheln, und Vatanen mußte
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