Das Jahr des Hasen

waren zurückgefallen und kochten wahr­ scheinlich Kaffee.
    Nach einer weiteren Stunde gemächlicher Fahrt kam die große Überraschung.
    Sie stießen auf den Ruheplatz des Bären, und das Tier war noch da! Es hatte sich eine Art Höhle gegraben und schien unter dem Schnee zu schlafen. Vatanen flüsterte es den Leuten, die nach ihm kamen, zu, die Nachricht wurde nach hinten weitergegeben. Wieder witterte der Hase die Gefahr, er hüpfte ängstlich um Vatanens Beine.
    Die Männer begaben sich in Feuerstellung. Sie warte­ ten nur noch auf die Frauen und den Rest der Gruppe, die eine halbe Stunde später völlig verschwitzt angestol­ pert kamen. Die Dame aus den USA setzte sich auf ihre Skier und zündete sich eine Zigarette an. Sie war er­ schöpft, die Wimperntusche lief ihr über die Wangen. Ein jämmerlicher Anblick, das war nicht zu leugnen. Ihre schwedische Mitschwester war zwar in besserer Verfassung, jedoch auch müde.
    Vatanen setzte der Schwedin den Hasen auf den Arm und bat sie, sich einen Moment um das Tier zu küm­ mern. Dann näherte er sich der Höhle. Ein seltsames Gefühl überkam ihn, ihm wurde heiß in der Magengru­ be. Dort lag ein Bär, vielleicht bis aufs äußerste gereizt. Nie zuvor hatte Vatanen dergleichen getan, noch nie hatte er zum bloßen Vergnügen gejagt. Jetzt, wo er mitmachte, empfand er Scham und Furcht.
    Vatanen brüllte, so schrecklich er konnte. Die Film­ kamera begann zu surren.
    Der Bär fuhr erschrocken auf, hatte die Situation je­ doch sofort erkannt. Er sprang aus seiner Höhle und stürzte auf Vatanen los. Der schlug ihm den Gewehrkol­ ben auf den Kopf, daß das Holz splitterte. Der Bär durchbrach die Kette der Männer und stürmte zu den Frauen. Zwei Schüsse fielen, ohne daß das Tier getroffen wurde.
    Der Bär machte vor der Schwedin halt, stellte sich auf die Hintertatzen, als wollte er die Frau, die den Hasen an sich drückte, bestaunen. Er beschnupperte den Hasen und preßte dann die Frau an sich, so daß nun drei Wesen in einer Umarmung vereint waren. Der Hase und die Frau schrien vor Entsetzen gellend auf. Der Bär erschrak. Er stieß die Frau fünf, sechs Meter weit von sich, der Hase flog noch weiter. Dann ergriff er panikar­ tig die Flucht.
    Ein paar Schüsse wurden ihm hinterhergefeuert, ei­ ner davon schien zu treffen, denn der Bär brüllte auf und wandte sich nach seinen Feinden um, dann lief er schnell weiter und war bald außer Sichtweite.
    Mehrere Rekruten machten sich an die Verfolgung, obwohl das aussichtslos war. Alle anderen scharten sich um die Schwedin, die im Schnee lag und hysterisch weinte. Kein Wunder, daß nach einem solchen Erlebnis die Tränen kommen.
    Über Funk wurde ein Geländewagen bestellt. Ein paar Stunden später waren alle wieder im Quartier. Vor der Hütte stand der schwere Hubschrauber der Luftstreit­ kräfte bereit, man half den Damen beim Einsteigen. Die Schwedin hatte den Hasen die ganze Zeit im Arm gehal­ ten. Sie hatte sein Fell naßgeweint und nahm ihn nun mit in den Hubschrauber.
    Vatanen protestierte.
    »Sie sind ein erwachsener Mann, lassen Sie doch der Frau das Tierchen. Sehen Sie nicht, wie erschüttert sie ist?« sagte der Beamte des Außenministeriums. »Das Ministerium wird Ihnen den Geldwert ersetzen. Sie können sich doch hier im Wald tausend neue Hasen zähmen, wenn Sie wollen.«
    Vatanen war nicht bereit, auf seinen Hasen zu ver­ zichten. Die Schwedin im Hubschrauber ließ ihm aus­ richten, es sei undenkbar für sie, sich von dem Hasen zu trennen, mit dem zusammen sie die schrecklichsten Augenblicke ihres Lebens durchgemacht habe. Der Ministeriumsbeamte stand nervös unter den Rotoren des Hubschraubers und versuchte zu vermitteln, doch bei Vatanen fruchteten seine diplomatischen Fähigkei­ ten nicht, und er kam in den Verhandlungen keinen Schritt weiter.
    Die Frau erklärte, sie könne das arme kleine Häschen unter keinen Umständen in dieser schrecklichen Wildnis den Raubtieren oder den Quälereien der finnischen Barbaren aussetzen.
    Vatanen meinte, da die Dame in diesem Moment nicht auf den Hasen verzichten könne, der ihr nicht gehöre, würde sich die Sache vielleicht später klären.
    »Also gut, dann kommen Sie auch mit«, seufzte der Beamte schicksalsergeben. »Eines muß ich Ihnen aller­ dings sagen: Sie sind ein selten kleinlicher Mensch.«
    Die übrige Gesellschaft stieg in den Hubschrauber, die schwere Militärmaschine hob sich in die Luft und nahm Kurs auf Vittumaisenoja. Dort wurde ein